Der Gosheimer Maschinenbauer Hermle ist bekannt für eine leistungsfähigen und präzisen Bearbeitungszentren. Auch das Bearbeitungszentrum MPA 42, das letztlich auf dem High-Performance-Line Bearbeitungszentrum Hermle C 42 U basiert, ist leistungsfähig und präzise, allerdings für Anwender nicht käuflich zu erwerben. Denn hier geht es um die additive Fertigung, und da sieht sich Hermle als Dienstleister. Dafür wurde eigens die Hermle Maschinenbau GmbH (HMG) in Ottobrunn bei München gegründet. Und die dortigen Experten wissen genau, was Formenbauer wollen – kurze Taktzeiten und hohe Bauteilqualitäten.

Das Kürzel „MPA“ steht für das Metall-Pulver-Auftrag-Verfahren, dass Hermle vor rund sieben Jahren zur Marktreife gebracht hat. Mit der neuen Maschinengeneration gewinnt der generative Fertigungsprozess deutlich an Präzision und Schnelligkeit. Die neue MPA 42 steht bei der Hermle Maschinenbau GmbH (HMG) in Ottobrunn. Das hundertprozentige Tochterunternehmen der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG agiert seit 2009 vom bayerischen Außenposten aus und hat sich mit den Jahren zu einem Dienstleister für die additive Fertigung entwickelt.
MPA 42 vereint Auftragen und Abtragen in einer Maschine
Neben der Spindel der MPA 42 ragt eine Düse in den Arbeitsraum. Die Lavaldüse beschleunigt das Pulver und schießt es gezielt auf den aufgespannten Metallrohling. Eine Sprüheinheit für Kühlschmiermittel fehlt dagegen.
Im Fokus
Hermle Maschinenbau GmbH
Die Hermle Maschinenbau GmbH am Standort Ottobrunn bei München ist ein Tochterunternehmen der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG. Der Unternehmensschwerpunkt liegt auf Grundlagenforschung und Entwicklung von neuen Technologien im Gebiet der generativen Fertigung. Seit mehreren Jahren bietet das Unternehmen zudem umfangreiche Fertigungskapazitäten an: Hier realisieren die Spezialisten großvolumiger Bauteile im patentierten MPA-Verfahren exklusiv für Hermle Kunden.
Überhitzter Wasserdampf und Stickstoff spielen bei dem Verfahren eine ebenso wichtige Rolle wie die Düsengeometrie, damit das Pulver Überschallgeschwindigkeit erreicht und sich durch die Deformation beim Aufprall verbindet. Ein Dampferzeuger und fünf Pulverförderer finden im hinteren Teil der Anlage Platz.

Allen Auftragsmaterialien und Rohlingen gleich ist ihre Duktilität. Dabei funktionieren sehr viele Metalle, da der Auftrag auf plastischer Verformung basiert. Darüber hinaus muss auch die Oberfläche der Halbzeuge duktil sein. Verarbeitet werden neben den im Werkzeugbau üblichen Warm- und Kaltarbeitsstählen mit hohem Kohlenstoffanteil zudem auch Kupfer und Ampcoloy.
Mit der MPA 42 lassen sich unterschiedlichste Werkstoffe verarbeiten
Kupfer ist für das Temperaturmanagement im Formenbau eine interessante Alternative. Das rote Metall leitet Wärme deutlich schneller ab als Stahl. Stahl und Kupfer intelligent zu kombinieren schafft im Formenbau entscheidenden Mehrwert. Und mit der additiven Fertigung können die Hermle-Spezialisten Kupfer an die Stellen des Werkzeuges einbringen, an denen beispielsweise Kühlkanäle keinen Platz haben. Ein Kupferkern kann die Wärme aus dem Spritzgießprozess weit schneller an den nächst gelegenen Kühlkanal ableiten als Stahl. Das verringert die Abkühl- und damit die Zykluszeit und verbessert zudem die Oberflächenqualität der Kunststoffteile.

Mit den fünf Achsen des Bearbeitungszentrums können die Hermle-Experten den Pulverstrahl nahezu beliebig zum Bauteil ausrichten. So haben sie eine maximale Gestaltungsfreiheit. Damit können sie beispielsweise Kühlkanäle direkt auf den gekrümmten Oberflächen eines Rohlings aufbauen. Auf diese Weise können sie auch größere Spritzgussformen mit einer konturnahen Kühlung ausstatten, ohne das gesamte Bauteil additiv aufzubauen zu müssen.
Nur die Größe des Arbeitsraums setzt Grenzen
Die Grenzen setzt lediglich die Größe des Arbeitsraums der Maschine. Und die sind je nach Geometrie für den additiven Prozess bei je 600 mm in Länge und Breite. Meist indes sind die Bauteile kleiner. Die Maschine eignet sich insbesondere auch zur Herstellung zylindrischer oder konischer Bauteile. So können aufd diese Weise zum Beispiel gekühlte Vorkammerbuchsen erstellt werden. Der Materialauftrag bei einem rotierenden Bauteil füllt Taschen und Kanäle sehr effizient. Und dann kann all das nahtlos mit Werkzeugstahl eingeschlossen werden.

Mit dem MPA-Verfahren eröffnen sich zahlreiche interessante Anwendungsmöglichkeiten. Zudem verdichten sich viele Materialien beim Auftragen so sehr, dass der Anwender die Bauteiloberflächen problemlos auf Hochglanz polieren kann. Damit wird das Verfahren bei Spritzgussformen selbst höchsten Ansprüchen gerecht.
MPA-Verfahren genügt höchsten Ansprüchen bei Spritzgießformen
Das MPA-Verfahren ermöglicht es außerdem, Funktionselemente wie Heizdrähte oder Sensoren zur Temperaturüberwachung der Kavität in Stahl oder Kupfer einzubetten und damit ins Werkzeug zu integrieren. Das ist ideal beispielsweise für eine variotherme Temperaturführung. Aber etwa auch außerhalb von Spritzgussformen, etwa bei einer per MPA mit integrierten Heizelementen ausgestatteten Leimdüse, behalten beispielsweise Klebstoffe über die gesamte Düsenbreite die ideale Verarbeitungstemperatur. Ein eingebetteter Sensor im Werkzeug ermöglicht zudem eine echte Regelung.

Eine der Stärken der Hermle Maschinenbau GmbH (HMG) liegt im Wissen darum, wo Materialkombinationen Sinn ergeben. Zudem haben die Experten aber auch vertieftes Know-how darin, wie Kühlkanäle und Funktionselemente am besten angelegt werden. Die Möglichkeit, Formwerkzeuge einteilig zu bauen, ist eine Stärke der HMG. Damit verkaufen die Ottobrunner Experten keine Maschinen, sondern Know-how.
Werkzeug und Spritzgießteil verbessern
Das Team berät darüber hinaus Konstrukteure von Spritzgusswerkzeugen. Die Experten greifen 3D-Modelle auf und optimieren mit dem Einbringen von Kühlkanälen, Funktionselementen oder mit einer Multimaterial-Kombination letztlich auch die später mit dieser Form produzierten Spritzgussteile. Die optimierten Formen reduzieren also die Taktzeiten und sorgen zudem für höhere Bauteilqualitäten, die mit anderen Technologien sonst nur schwer zu erreichen sind.

Den Anwendungstechnikern steht eine eigene CAM-Software zur Verfügung, mit denen sie den Code für die Maschinensteuerung generieren. Hier bestimmen sie nicht nur wie sonst bei einem Bearbeitungszentrum die Bahnbewegungen. Sie müssen auch die Pulvermengen, die festgelegten Temperaturen und den Wechsel zwischen Materialaufbau und Fräsen berücksichtigen. Bislang bildet kein CAD/CAM-Hersteller diesen besonderen alternierenden Prozess aus fräsen, auftragen, fräsen ab. Deshalb haben die Hermle-Spezialisten die Software selbst erstellt. So können sie zudem jederzeit auch auf besondere Anwenderwünsche reagieren.
Meist sind es keine rein additiv erstellten Teile
Zu 95 Prozent baue die Spezialisten auf einem Halbzeug auf, das der Anwender selbst auf seiner Fräsmaschine vorbereiten kann. So kann er sein Bauteil schon mit gefrästen Kühlkanälen oder Taschen für den Kupferauftrag nach Ottobrunn senden. Hier prüft das HMG-Team den Rohling auf seine Maßhaltigkeit und zudem auch darauf, ob alle Konstruktionsvorgaben eingehalten wurden. So dürfen etwa keine Fasen an den Taschen sein, da der Pulverauftrag scharfe Kanten erfordert.

Bevor das Bauteil in die MPA 42 kommt, wird es in einer Heizstation auf rund 300 °C aufgeheizt. Und sowohl das Substrat als auch das Metallpulver erhitzen die Experten für eine bessere Duktilität. Die Energie, die zur Beschleunigung des Pulvers nötig ist, kommt aus Wasserdampf. In der Düse erreicht das Pulver mit Hilfe des Wasserdampfs Überschallgeschwindigkeit. Auch während der Bearbeitung hält die Maschine die Temperatur konstant – und zwar bis zum letzten Spanabtrag. Damit verhindert der Prozess Temperaturgradienten, aus denen sonst Spannungen, Risse oder zudem Verzug entstehen können.
MPA 42 trägt abwechselnd auf und überfräst wieder
Im Fertigungsprozess trägt die MPA 42 abwechselnd Material auf und zerspant wieder. Nach dem Pulverauftrag fräst sie beispielsweise Details wie feine Rippen ins neue Material. Kühlkanäle werden übrigens mit einem wasserlöslichen, metallenen Material gefüllt. Dann trägt die MPA 42 erneut eine Stahlschicht auf und verschießt die Kanäle. Das Füllmaterial spülen die hermle-Mitarbeiter später im Wasserbad aus. So entstehen die gewünschten Hohlräume. Der Pulverstrahl schafft in Stahl Aufbauraten von 200 bis 400 cm3/h erreicht, bei Kupfer sind sogar rund 1000 cm3/h möglich.

Die neue Maschine holt die Verbesserungen der Hermle C 42 U nun auch in die MPA-Technologie. Die Maschine ist das Herz des Dienstleistungsangebots. Den Hermle-Spezialisten ist wichtig, alle Prozesse inhouse abzubilden – von der Beratung über die Optimierung und Machbarkeitsprüfung und die Werkstoff-Untersuchung bis hin zum finalen Qualitätscheck.