Die Spätschicht des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) heute steht unter dem Zeichen des sich verändernden Umfelds in der Branche. Die Unternehmen der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauindustrie sind gezwungen, sich in immer kürzeren Abständen an neue Gegebenheiten anzupassen. Nicht nur die Corona-Pandemie stellt bekanntlich die Unternehmenslenker vor gewaltige Herausforderungen. Wie das funktionieren kann und was ein sauber aufgesetztes Change Management bewirken kann – damit befassen sich die drei Beiträge des heutigen Abends. Weit mehr als hundert Teilnehmer folgen den interessanten Beiträgen.
Mit der Erkenntnis „Wir haben Reformbedarf – was tun?“ startete für Unternehmenslenker Christen Merkle vom Zylinderhersteller AHP Merkle den Veränderungsprozess im Unternehmen. „Wir sind eine etablierte Marke. Als wir gestartet sind, hatten wir mehr als 46 Jahre Tradition, unseren AHP-Stil, viele langjährige Mitarbeiter“, erklärt er. Einer der Ansatzpunkte für ihn waren die Abteilungsleiter: Die rekrutieren sich oft aus den besten Technikern, aber sie werden auf ihre neue Aufgabe meist nur unzureichend vorbereitet. So sind sie für Veränderungsprozesse Problem und zudem Lösung zugleich. Zudem bringt die Globalisierung zahlreiche Veränderungen – von den Fertigungsverfahren über die Produktvielfalt bis zur Art der Wettbewerber. Zudem auch die Digitalisierung, Social Media, Generation X/Y/Z …
Wissen und Ideen der Mitarbeiter sind wertvolle Ressource im Unternehmen
Das Wissen und die Ideen der Mitarbeiter sind mit die wertvollste Ressource im Unternehmen. Merkle startete deshalb auch mit dem Anspruch ins Change Management, alle Mitarbeiter abzuholen. Leitbild war die Struktur eines gut eingespielten Teams auf einem Segelboot: „Da weiß jeder, was er zu tun hat“, erklärt Merkle. „Das Gute ist, dass wir heute auch wertvolle Feedbacks von den Mitarbeitern bekommen.“
Merkle bildete ein Team aus jungen und alten Mitarbeitern, die den Change Prozess begleiten. Mit einem Pilotteam begann der Prozess. „Wir wählten ein Team, bei dem alles gut lief, und starteten mit diesen Mitarbeitern in einem Workshop. Ausgehend vom sprichwörtlichen „weißen Blatt“ skizzierten die Teammitglieder in drei Gruppen, wie die künftige Arbeit aussehen kann. Interessant war: Die Ergebnisse der drei Teams glichen sich stark. „Für uns war die Erkenntnis schon ein Aha-Erlebnis“, erklärt Merkle. „Da sitzen seit Jahren fähige Leute im Team zusammen und machen ihre Arbeit sehr gut – aber keiner fragt sie mal, wie man es besser machen könnte.“
Gutes Bewahren – Neues ergänzen
Genau hier setzt Merkle an. Die Vorschläge wurden umgesetzt – und der Unterschied war frappierend: Die Arbeit lief besser, das Klima in der Abteilung war sehr gut, die Motivation sehr hoch. Das Team definierte die eigenen Regeln selbst, prüfte, was verändert werden kann oder was zudem komplett verzichtbar ist. „Wir haben darüber hinaus auch die Dinge benannt, die bisher gut waren – das wollten wir bewahren und um Neues, Gutes ergänzen“, erklärt Merkle.
Change Management ist kein abgeschlossener Prozess
Die Rollen haben sich verändert – statt eines Abteilungsleiters sollte es Teamkoordinatoren geben, die rollierend für zwei Jahre gewählt werden, sonst aber nicht aus dem Team herausgehoben sind: Auf Hierarchien in den Teams verzichtet das Unternehmen. „Diese Personen sind auch heute die wichtigen Ansprechpartner, etwa für die Geschäftsleitung oder für andere Teams“, ergänzt der Unternehmer. „Der Erfolg, der auf der ‚Merkle-DNA“ aufbaut, ist heute ist sichtbar: Die Zusammenarbeit läuft deutlich besser und reibungsloser, die Teams ziehen an einem Strang. Der Prozess begleitet uns übrigens kontinuierlich – die Workshops begleiten uns auch heute und in Zukunft. Damit wir beweglich bleiben und uns weiter entwickeln.“ Sein Appell zum Schluss: „Nutzt das Wissen Eurer Mitarbeiter. Die Motivation ist bei uns deutlich nach oben gegangen. Deshalb: Seid Mutig und packt Veränderungen an!“
„Wenn das Team gut gearbeitet hat, ist der Kunde zufrieden. Manchmal sogar begeistert“, erklärt Helmut Kohake, Geschäftsführer bei Müller Technik die Umsetzung von Change Management in seinem Unternehmen. Der Weg zeigt sich erst, wenn man anfängt, ihn zu gehen. Keiner von uns ist als Zehnkämpfer geboren. Alles funktioniert im reibungslosen Zusammenspiel der einzelnen Abteilungen.“ Konsequenterweise stellt er seinen Vortrag im Zusammenspiel mit zahlreichen Mitarbeitern vor. Der Zielkonflikt aus Termin, Kosten, Leistung und außerdem Qualität bestimmt das Tagesgeschäft.
Werkzeugbau ist die Schlüsselstelle im Prozess
Agilität – abgestimmtes Arbeiten von Anfang an – machen ein erfolgreiches Prozess aus. Das unterliegt bei Müller Technik einer permanenten Entwicklung. Inzwischen gibt es im Unternehmen eine „Vision Culture“, die zusammen mit standardisierten Schritten und Disziplin dafür sorgt, dass Kundenprojekte nachhaltig mit hoher Qualität umgesetzt werden können. Die Achillessehne und damit die Schlüsselstelle im Prozess ist der Werkzeugbau.
Change Management ist Teamarbeit
Das erfordert kontinuierliches Nachschärfen und Schulen der Fach- und Führungskräfte. Bei Müller Technik geschieht das hierarchieübergreifend mit einer eigenen Akademie im Unternehmen. Der Ausbildungsplan berücksichtigt zudem auch die Interessen der Mitarbeiter und schafft so einen tragfähigen Weg zur Faszination Werkzeugbau.
Der Stratege Jens Lüdtke von Tebis Consulting stellt die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für Veränderung. Einer der Treiber ist die Globalisierung, eine weitere sicher außerdem Faktoren wie beispielsweise der Wandel weg vom Produkt Fahrzeug hin zum Service Mobilität.
Corona stellt neue Anforderungen ans Change Management
Und oben drauf kam jetzt noch das Corona-Virus. Speziell vor diesem Hintergrund stellt Jens Lüdtke die Fragen nach den Stellschrauben für Change Management, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Im Fokus
Objectives and Key Results (OKR)
Jens Lüdtke stellt als Hilfsmittel für gezielte Veränderungsprozesse im Change Management zudem die Methode der Objectives and Key Results (OKR) vor. OKR ist ein flexibles Framework für Unternehmen, das dabei unterstützt, an der stringenten Umsetzung von Zielen zu arbeiten. Es hilft, das Unternehmen systematisch strategisch weiter zu entwickeln. Hier ist eine der Herausforderungen die Verbindung der langfristigen Ziele mit dem operativen Alltagsgeschäft. OKR ist einerseits ein Format, mit dem sich Ziele formulieren und kommunizieren lassen. Andererseits ist es ein abgestimmtes Zielsystem, mit dem sich kurzfristige operative Ziele und langfristige Unternehmensziele unterschiedlicher Teams synchronisieren lassen Und letztlich ist OKR auch ein Prozess, dessen Basis die Selbstverpflichtung der Teams, kontinuierlichem Lernen und das Streben nach organisatorischer Exzellenz ist.
„Wussten Sie eigentlich, dass die Erfolgsquote von betrieblichen Veränderungsprozessen bei nur 10 Prozent liegt?“ fragt der Unternehmensstratege. „Gründe dafür sind oft falsche Ziele, meist aber die vernachlässigte Umsetzung.“ Konsequenz: Ziele müssen im Change Management klar und möglichst SMART formuliert sein.
Viele Veränderungsprozesse scheitern an der halbherzigen Umsetzung
Ein wichtiger Faktor sind die Mitarbeiter, die im Veränderungsprozess mitgenommen werden und dafür begeistert werden müssen. Hier sind in der Umsetzung zahlreiche Schlüsselfaktoren bis hin zum Freiraum für die Mitarbeiter bei der Gestaltung wichtig.