Für exaktes Finish und die spätere reibungslose Inbetriebnahme der Werkzeuge auf der Spritzgießmaschine zogen vor kurzem in die neu gebaute Montagehalle beim Werkzeugbauunternehmen Siegfried Hofmann GmbH in Lichtenfels gleich zwei Millutensil-Tuschierpressen ein: Eine MIL 123 und eine MIL 263 dienen den Werkzeugbauern als Quality Gate. Damit können sie auch sehr komplexe Werkzeuge prüfen – Tuschieren auch in anspruchsvoller Mehrkomponententechnik.
Technisch auch mit Eigenentwicklungen an der Spitze fertigt die Siegfried Hofmann GmbH in Lichtenfels, die in der Branche als „Hofmann – Ihr Impulsgeber“ bekannt ist, unter anderem ein breites Spektrum an hochwertigen Spritzgießwerkzeugen für komplexe Artikel. Häufig auch in Mehrkomponententechnik. So breit wie die Vielfalt der Werkzeuge ist auch das Spektrum der Kundenbranchen. Spritzgießwerkzeuge von Hofmann werden beispielsweise in der Automotive-Industrie genauso eingesetzt wie bei Haushaltswaren, Elektro oder in der Medizintechnik. Dabei kommen auch technische Finessen wie etwa per Lasercusing erstellte konturnahe Kühlungen zum Einsatz. Immer größer wird zudem der Anteil der Formen, in der mehrere Kunststoffe in einem Spritzgießvorgang verarbeitet werden: die Mehrkomponentenwerkzeuge. Und gerade bei diesen ist Tuschieren Pflicht
Zwar fertigt Hofmann durchaus auch Vorserienwerkzeuge. „Der Großteil unserer Formen entfällt indes auf Serienwerkzeuge“, beschreibt Christian Bülling, Teamleiter Endmontage bei Hofmann, das Spektrum. „Meist sind es Langläufer, die in ihrem Lebenszyklus verlässlich eine große Zahl an Kunststoffteilen produzieren müssen – eines so präzise wie das nächste, ein Werkzeugleben lang. Und das mit einem Minimum an Wartungsaufwand. Das erfordert viel Know-how und auch die technischen Möglichkeiten im Werkzeugbau.“
Fähigkeiten zum Tuschieren erweitern jungen Maschinenpark
Die Werkzeuge werden bei Hofmann in einer hohen Fertigungstiefe erstellt. Alle wesentlichen Komponenten entstehen in den zwei Werken am Standort Lichtenfels. Dabei steht den Werkzeugbauern ein junger und leistungsfähiger Maschinenpark zur Verfügung. Jetzt kamen noch zwei leistungsfähige Pressen zum Tuschieren hinzu.
Im Fokus
Millutensil MIL 263 Blue Line
Die Blue Line fasst Millutensils High-End-Lösungen im Bereich hochpräziser Tuschierpressen zusammen. Die Blue Line umfasst die Pressen der BV-Serie, der MIL-Serie sowie Werkzeugöffner und Toolmover. Die Modelle der MIL-Serie, zu denen die Pressen MIL 123 und MIL 263 bei Hofmann gehören, decken das Tuschieren mittlerer und großer Formen ab. MIL 263 gibt es als Bodenversion oder in einer Grubenversion. Dazu kommt eine abgespeckte Variante als MIL 262 mit 1500 kN Klemmkraft, 450 kN maximale Öffnungskraft und mit einer maximalen Tragkraft der oberen Platte von 18 000 kg. Beide Modelle lassen sich zudem per Siemens-SPS über ein benutzerfreundliches Graphikbedienfeld via Touch-Panel steuern.
Der Automatisierungsgrad der Fertigung und auch der Grad der Standardisierung bei Hofmann ist sehr hoch. Die Fertigungsprozesse im Unternehmen sind mit ganzheitlichem Ansatz durchdacht und laufen sehr stabil. Qualität hat hier System.
Nur Praxistests liefern valide Ergebnisse
Auch wenn die mechanische Fertigung bei Hofmann die höchsten Standards erfüllt und hochpräzise nach den vorgegebenen Spezifikationen gefertigte Komponenten in die Montage liefert – wie die einzelnen Teile dann tatsächlich zusammenarbeiten und ob alles zusammenpasst, kann letztlich nur die Praxis zeigen.
Schließlich spielen neben der Präzision der Zerspaner auch Faktoren wie thermische Einflüsse und insbesondere bei komplexeren Werkzeugen das Zusammenwirken der einzelnen Werkstücktoleranzen eine Rolle. Etwa, wenn sich bei mehreren Etagen die kritischen Werte addieren und plötzlich doch etwas nicht so „gängig“ ist wie gewünscht.
Spritzgießmaschinen sind zum Tuschieren ungeeignet
„Wir können fürs Abmustern auch Kapazitäten auf Spritzgießmaschinen der Robert Hofmann GmbH nutzen, die ein sehr gut ausgestattetes Technikum mit leistungsfähigen und aktuellen Spritzgießmaschinen hat“, erklärt Bülling. „Aber das Tuschieren auf diesen Maschinen und vor allem das Umsetzen der Korrekturen ist vom Handling her alles andere als optimal. Und außerdem sollen sie ja Kunststoffteile produzieren – dafür sind sie schließlich da.“
Es gab zwar durchaus Überlegungen in der Geschäftsleitung bei Hofmann, wie sinnvoll die Beschaffung einer Tuschierpresse sein kann. Zumal es eine Presse mit genau den Fähigkeiten, die die Werkzeugbauer in Lichtenfels benötigen, gar nicht am Markt gab.
Hohe Qualitätsanforderungen erfordern Tuschieren
Allerdings war die Entscheidung angesichts der Komplexität der meisten Formen bei Hofmann und zudem auch aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen sehr schnell getroffen.
Im Fokus
Siegfried Hofmann GmbH
Der im Jahr 1958 als Ein-Mann-Garagenunternehmen gegründete Werkzeugbaubetrieb ist heute ein international tätiges Familienunternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitern, zwei Werken am Standort Lichtenfels, mit Kunden in mehr als 25 Ländern und einer intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Hauptsächlich entstehen bei Hofmann Spritzgießwerkzeuge, auch für den Mehrkomponentenspritzguss. Dabei kommen unter anderem auch Technologien wie Variotherm, ColorForm, IMD-Folien- und Stoffhinterspritzen, Insertspritzguss oder Spritzprägen zum Einsatz. Darüber hinaus ist Hofmann unter anderem auch ein Spezialist für Partikelschaumverarbeitung mit eigener Fertigungstechnologie („Bead.Machine“). Als Komplettlösungsanbieter hat Hofmann auch einen eigenen Maschinenbau, etwa, um Serienanlagen oder Montagelinien zu realisieren, und umfassende Kompetenz in der Automatisierung industrieller Anlagen.
„Vor dem Gang auf die Spritzgießmaschine können wir nur auf einer entsprechend ausgestatteten Tuschierpresse zuverlässig feststellen, ob die Formtrennungen in Ordnung sind, ob die Schieber funktionieren und ob auch bei mehreren Trennebenen die sich summierenden Toleranzen passen“, beschreibt Bülling die Anforderungen. „Natürlich können wir heute inzwischen auch vieles simulieren. Aber der Abgleich in der Realität ist mehr denn je wichtig.“
Werkzeuge sollen mehrere Mio. Zyklen funktionieren
Denn die Werkzeuge sollen ja im Idealfall mehrere Millionen Schuss überstehen. „Dazu kommt, dass die wenigsten Werkzeuge bei Temperaturen um die 20 °C laufen“, berichtet der Montageleiter. „Bei Temperaturen auf der Spritzgießmaschine typischerweise zwischen 60 und 80 °C müssen die Komponenten eben auch perfekt zusammenspielen. Nur so kann der Spritzgießer mit unserer Form nachhaltig qualitativ hochwertige Teile fertigen. Und da ist für uns das Tuschieren auf einer Presse unerlässlich.“
Die Werkzeugvielfalt bei Hofmann spannt das Spektrum für die Formen im Bereich zwischen 100 kg und 30 t auf. Darunter sehr komplexe Mehrkavitätenwerkzeuge und immer mehr auch Mehrkomponentenformen. Speziell die Mehrkomponentenwerkzeuge zu tuschieren wurde zur Herausforderung. „Denn eine Presse, mit der wir unser Werkezugspektrum abdecken konnten, gab es nicht am Markt.“
Hohe Anforderungen ans Tuschieren
Schließlich muss eine Tuschierpresse für Mehrkomponentenwerkzeuge etwa in Drehtellertechnik mehr können als nur ein simples Auf-Zu. So müssen sich die Mehrkomponentenformen auf der Presse auch bequem und präzise in allen Kombinationen testen lassen – wie sie eben auch bei der Produktion auf der Spritzgießmaschine auftreten.
Das bedeutet, dass bei einem Drehtellerwerkzeug auch die Drehung der Formhälfte auf der Presse möglich sein muss. Und zwar sehr präzise in allen Indexpositionen, die für das Spritzen der unterschiedlichen Werkstoffkomponenten in der Form notwendig sind.
Drehteller und Tuschieren
Die Werkzeugbauer aus Lichtenfels sahen sich die am Markt vorhandenen Lösungen sehr genau an. Genau das, was sie suchten, fanden sie allerdings trotz sorgfältiger Recherche nicht. Speziell der Drehteller war für Werkzeuge in der geforderten Dimension so bisher auf keiner Tuschierpresse zu finden.
Die beste Entsprechung fanden die Lichtenfelser in Modellen der Serie MIL aus der „Blue Line“-Reihe bei Millutensil. „Aber die waren für kleinere Werkzeuge gebaut – für unsere Größen gab es das so nicht“, erinnert sich Bülling. „Zumindest konnten wir uns aber dort das Prinzip schon einmal in der Realität anschauen. Und das, was uns die Italiener zeigten, gefiel uns sehr gut.“
Partnerschaftliches Miteinander
Zudem stießen die Formenbauer bei den italienischen Pressenhersteller mit ihren Wünschen auf offene Ohren, und einige Gespräche später war man sich einig, dass sich eine Tuschierpresse nach den Wünschen der Lichtenfelser technisch und auch im wirtschaftlichen Rahmen realisieren lässt. „Für uns ist wichtig, dass nicht nur unsere technischen Ansprüche umgesetzt werden“, betont Bülling. „Auch das Preis-Leistungsverhältnis ist für uns ein wesentlicher Faktor. Und das stimmt bei Millutensil.“
So kam es, dass in die neue Montagehalle Ende vergangenen Jahres neben einer kleineren Millutensil MIL 123 auch eine neu konzipierte Millutensil MIL 263 einzog. Beide zudem in den Hofmann-Hausfarben Hellgrün und Grau. „Die Lieferung der Pressen war für die Italiener eine der leichtesten Übungen“, erinnert sich Bülling. „Man sieht gleich, wo man ist.“ Die Millutensil MIL 263 im neuen Werk der Siegfried Hofmann GmbH hebt sich aber nicht nur mit ihrer Farbgebung ab. Sie hat in ihren Tisch integriert einen speziell für 2K- und 3K-Werkzeuge ausgelegten Drehteller. Der lässt sich beispielsweise für optimales Bearbeiten stufenlos frei drehen.
Tuschierpresse wird zum Quality-Gate
„Wir wollen bei Mehrkomponentenwerkzeugen die Passung in allen Stationen überprüfen“, erklärt Bülling. „Früher ging das, wenn überhaupt, nur mit großem manuellem Aufwand. Mit einem Drehteller ist es nun möglich, auf der Presse die jeweiligen Positionen exakt anzufahren. Damit können wir auch komplexe Formen komplett tuschieren.“
Die Intelligenz der Pressensteuerung erkennt anhand des eingegebenen Werkzeugs, in welchen Schritten es indexiert, und verriegelt entsprechend. So ist das Zusammenfahren der Werkzeughälften ausschließlich bei den festgelegten Positionen möglich, also individuell je nach Form etwa bei 0°, 120°, und 240° oder bei 0° und 180°.
Auch Mehrkomponentenwerkzeuge schnell und problemlos tuschieren
Damit sind Kollisionen, wie sie aufgrund falscher Indexpositionen, entstehen können, schon von der Presse her ausgeschlossen. So können die Werkzeugbauer in Lichtenfels auch sehr komplexe Mehrkomponentenwerkzeuge schnell, sicher und problemlos tuschieren. Die vier Säulen der Presse und entsprechende Funktionen der Steuerung sorgen für sehr feinfühliges und präzises Tuschieren und für hohe Sicherheit.
Die neue Tuschierpresse MIL 263 bei der Siegfried Hofmann GmbH verfügt über eine Klemmkraft bis 2000 kN und eine maximale Öffnungskraft von 550 kn. Der untere Tisch der Tuschierpresse lässt sich mit bis zu 45 000 kg belasten. Der Obertisch trägt bis zu 20 000 kg. Die Plattenabmessungen liegen bei 2500 × 2000 mm. Das lässt sogar noch Raum für Zuwachs bei den Werkzeugdimensionen.
Intuitive und einfache Steuerung
Die Tuschierpresse Millutensil MIL 263 lässt sich wie ihre kleine Schwester MIL123 sehr intuitiv per Siemens-SPS steuern. Die Eingaben erfolgen graphisch unterstützt über ein benutzerfreundliches und übersichtliches Bedienfeld via Touch-Panel.
Mein Standpunkt
Partnerschaft auf Augenhöhe
Natürlich ist Hofmann ein Kunde, den man als Maschinenhersteller gern für sich gewinnt. Ein guter Name in der Branche, der für Qualität und Innovation steht. Von daher hören sehr viele Zulieferer auf Anregungen und Vorschläge aus diesem Referenzunternehmen und setzen diese auch um. So auch Millutensil. Anders sieht das aber oft aus, wenn ein kleiner Werkzeugbauer anklopft. So mancher Maschinenhersteller hat da ganz eigene Strategien entwickelt, solch „unbequeme“ Anfragen abzuwimmeln. Anders bei Millutensil. Getreu dem Unternehmensleitspruch „A Business with a big Heart“ hat der italienische Pressenhersteller ein offenes Ohr auch für die Anliegen der kleinen Unternehmen. Und das zahlt sich aus. Schließlich kommt viel Innovatives gerade von kleinen Betrieben in der Branche. Kein Wunder also, dass heute in den renommierten Werkzeug- und Formenbauunternehmen fast ausschließlich die innovativen Tuschierpressen von Millutensil stehen. Herz zeigen zahlt sich eben aus.
Richard Pergler
Auch sonst sind die Pressen auf Ergonomie getrimmt: So kann beispielsweise die Werkzeughälfte am Obertisch aus der Presse herausgeschwenkt und in einer für den Mitarbeiter angenehmen Position abgelegt werden. So lassen sich Arbeiten in einer natürlichen Körperhaltung und ohne Anstrengung ausführen.
Ergonomische Arbeitsweise
Der Untertisch, in den der Drehteller integriert ist, lässt sich zudem komplett aus der Presse herausfahren. Damit kann auch diese Werkzeughälfte optimal bearbeitet werden. Gerade, wenn feinste Korrekturen im µm-Bereich manuell auszuführen sind, ein großer Vorteil. Zudem kann so die Beladung hindernisfrei auch per Kran erfolgen – gerade bei großen Werkzeugen gibt es zur Beladung per Hallenkran auch keine auch nur annähernd so sichere Alternative.
Auch die kleine Millutensil MIL 123 verfügt über alle sicherheitstechnischen Features und das einfache, intuitive Bedienkonzept der großen Schwester. Allerdings sind die Werkzeugdimensionen hier deutlich kleiner: Der untere Tisch dieser Millutensil-Tuschierpresse fasst Werkzeuge bis zu 7500 kg. Der Obertisch trägt bis zu 3500 kg. Und die Plattenabmessungen liegen hier bei „nur“ 1200 × 1000 mm. Mit den beiden pressen deckt Hofmann sein sehr breit dimensioniertes Werkzeugspektrum sehr gut ab.
Tuschieren als wichtiger Wettbewerbsfaktor
„Alles in allem haben wir erreicht, dass wir unsere komplexen Formen, gerade auch die in Mehrkomponententechnik, jetzt schnell, umfassend und sicher reif für ihren Produktionseinsatz machen können“, zieht Bülling sein Fazit. „Die beiden Millutensil-Pressen sind unser Garant dafür, dass die Werkzeuge ausgereift, produktionsfertig und ohne überflüssige Korrekturschleifen auf die Spritzgießmaschine kommen. Die MIL 123 und die MIL 263 sind so zu wichtigen Faktoren in unserem Konzept für Qualität ‚Made by Hofmann‘ geworden.“
Richard Pergler