Zu einem Treffen mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut waren auf Initiative des Marktspiegel Werkzeugbau sowie des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer Vertreter der Branche zum Gebhardt Werkzeug- und Maschinenbau nach Baienfurt gekommen. Die Werkzeugmacher im deutschsprachigen Raum sind zwar weltweit führend im Bereich Präzision, Qualität und Innovation. Und sie sind zudem der Dreh- und Angelpunkt der seriell-industriellen Fertigung von technischen Artikeln oder Alltagsgegenständen. Doch ihre prekäre Lage aufgrund des zunehmenden Preisdrucks im internationalen Wettbewerb spitzt sich zu. Hier ist auch die deutsche Politik gefordert
„Kunststoff, Metall, Glas, Schokolade – um aus all diesen Materialien ein Produkt herzustellen, braucht man Formen“, erklärt Prof. Thomas Seul, Präsident des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) und Vorstand des Marktspiegels Werkzeugbau, zu Beginn der Politik-Gesprächsrunde mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Unternehmern aus der Branche.
Werkzeug- und Formenbaubranche auch für die Politik sichtbar machen
Seul weiß um die Sorgen der Betriebe in seinem Verband und arbeitet in seinen Ehrenämtern seit Jahrens ehr aktiv daran, der Branche mehr Gehör zu verschaffen. Dabei sind ihm auch gute Kontakte zur Politik wichtig.
Im Fokus
Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e.V.
Die Förderung und Stärkung des deutschen Werkzeug- und Formenbaus ist das Haupanliegen, das der VDWF verfolgt. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sind im Verband organisiert. Der Verband kümmert sich um Themen wie Nachwuchsförderung, die Aus- und Weiterbildung, das Marketing, gemeinsame Messeauftritte, Beratung bei Management und Unternehmensführung sowie Aufgaben im Bereich DIN-Normausschuss, CE-Konformität, Sachverständigenwesen und vielem mehr. Um der Branche mehr Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit zu verleihen, kümmern sich die Verantwortlichen auch um die übergeordnete Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine ausgewogene Lobbyarbeit für die Branche. Darüber hinaus hat der Verband inzwischen auch gute Kontakte zur Politik.
Dass die Politik soweit wie möglich positiv auf die Situation einwirken und dabei die heimische Wirtschaft unterstützen sollte, erkennt Hoffmeister-Kraut in der Gesprächsrunde auch ohne Umschweife an.
Großes Interesse an der Systemkompetenz der Werkzeugmacher
„Wir als Landesregierung Baden-Württemberg haben ein großes Interesse daran, dass uns die Systemkompetenz der Werkzeugmacher nicht nur erhalten bleibt, sondern dass sie auch weiter ausgebaut wird“, erklärt die Wirtschaftsministerin in der Gesprächsrunde. „Deshalb unterstützen wir die Branche mit ihren vielfältigen Angeboten, um die industrielle Wertschöpfung im Land zu sichern und die Herausforderungen des Strukturwandels durch die Digitalisierung zu bewältigen.“
Zu einem ersten runden Tisch mit der Politik unter diesem Thema hatte der VDWF bereits am 8. Juli nach Haigerloch eingeladen. Dort diskutierte der Parlamentarische Staatssekretär und Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen, Thomas Bareiß, mit Vertretern und Mitgliedern des VDWF. Er ist auch Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung. Nur vier Wochen später wurde die Veranstaltung nun auf Landesebene mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut fortgesetzt. Die Gesprächsrunde wurde diesmal initiiert von der ehrenamtlich geführten Genossenschaft Marktspiegel Werkzeugbau.
Auch die Politik sieht die mittelständischen Unternehmen im Spannungsfeld der Globalisierung
Rund 3800 im Werkzeug- und Formenbau aktive Unternehmen gibt es derzeit in Deutschland. Davon beschäftigen rund 65 Prozent weniger als 50 Mitarbeiter. Insgesamt ist zudem ein Drittel der Branchenunternehmen in Baden-Württemberg ansässig. Ihre Bedeutung für die Region ist damit herausragend. Ein Aspekt fordert diese deutschen klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) jedoch auf besondere Weise heraus. Und der liegt auch in der Politik begründet.
Die außergewöhnliche Stellung der Werkzeugmacher bedingt, dass die Unternehmen bei ihren Aufträgen grundsätzlich in Vorfinanzierung gehen müssen. In anderen Ländern werden Werkzeug- und Formenbaubetriebe in dieser Hinsicht von ihrer jeweiligen Regierung unterstützt. So übernimmt in Kanada übernimmt der Staat Bürgschaften, in China subventioniert darüber hinaus ein eigenes Ministerium die Branche. Portugal fördert zudem den Kauf von Produktionsmaschinen finanziell.
Unterschiedliche Politik in den Werkzeugbaunationen verzerrt die Wettbewerbsbedingungen
Dass es ausländische Unternehmen vor diesem Hintergrund leichter haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, darf nicht verwundern. Der Preiskampf auf dem internationalen Markt ist deshalb immens. Die Entwicklung zeichnet sich zudem bereits seit Langem ab. Schon seit Anfang der 2000er-Jahre ist der Preis, zu dem Werkzeugmacher ihre Produkte anbieten können, um etwa 50 Prozent zurückgegangen.
Eine kürzlich von Tebis Consulting ausgeführte Branchenbefragung zeigt Alarmierendes. Die aktuelle Auftragslage beurteilen 70 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum als „kritisch“ oder sogar als „sehr kritisch“. Neben den Auswirkungen der Globalisierung nehmen auch veränderte Rahmenbedingungen wie hohe Energiepreise, die CO2-Bepreisung oder die Abkündigung des Verbrennungsmotors negativen Einfluss auf die Branche und sorgen darüber hinaus für Unsicherheit.
Zwischen 20 und 30 Prozent der deutschen Werkzeug- und Formenbaubetriebe werden verschwinden
Nicht als Ursache für die problematische Lage, aber dennoch verschärfend hinzu kam natürlich zuletzt die Corona-Pandemie. Laut verschiedenen Prognosen werden bei unveränderten Voraussetzungen in absehbarer Zeit zwischen 20 und 30 Prozent der heute im Werkzeug- und Formenbau tätigen Unternehmen verschwinden.
Diesen Entwicklungen ein staatlich initiiertes, nur kurzfristig angelegtes Förderprogramm entgegenzusetzen wäre nach Auffassung von Jens Lüdtke, Leiter Tebis Consulting und Vorstand des Marktspiegels Werkzeugbau, nicht nachhaltig. „Vielmehr würden wir uns einen regelmäßigen Dialog mit der Politik wünschen. So,wie das in anderen Branchen bereits üblich ist“, wendet er sich an Hoffmeister-Kraut. Mit Verlust der Schlüsselkompetenz Werkzeug- und Formenbau besteht nämlich die Gefahr, dass zunächst die Produktion vom Standort abwandernt. Außerdem wird danach in der Folge auch die Bauteilentwicklung samt Know-how verschwinden. „Der gesamte deutschsprachige Raum verliert dann seine repräsentative Stellung und darüber hianus auch seine Vorreiterrolle bei Technologie- und Produktionsthemen.“
Der VDWF und der Marktspiegel Werkzeugbau rüsten die Politik mit guten Argumenten aus
„Den Dialog bieten wir gerne an. Um die Branche und den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu stärken, ist es wichtig, dass wir eng zusammenarbeiten und im Austausch sind“, erklärt die Wirtschaftsministerin. Bei einem Folgetermin sollen Konzepte erarbeitet und diskutiert – und außerdem auch Handlungsmöglichkeiten der Politik identifiziert werden. Nicht nur Hoffmeister-Kraut, auch Seul ist im Bezug auf das nächste Treffen zuversichtlich: „Wir möchten auch Sie gerne unterstützen. Denn die Politik braucht gute Argumente, um für und mit uns Werkzeugmachern etwas voranzubringen. Und mit genau diesen möchten wir Sie ausrüsten.“