Die Situation in den Werkzeug‑, Modell- und Formenbauunternehmen ist noch immer sehr angespannt. Die Auftragslage ist nach wie vor sehr kurzfristig geprägt. Die Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen und Industrien ist groß. Die Renditen gehen weiter zurück. Und während die Corona-Pandemie die Entscheidungsfreudigkeit bei der Auftragsvergabe weiterhin einbremst, wird der Preisdruck aufgrund der gestiegenen Energie- sowie Material- und Rohstoffpreise drastisch verschärft. Mehr zur Situation, in der sich die Branche befindet, sagen die Zahlen des Monats März 2022.
Die jüngste Auswertungen des Marktspiegel Werkzeugbau aus dem Jahr 2021 betrachtet das Geschäftsjahr 2020. Das erste Jahr also, in dem die Covid-Pandemie signifikant Einfluss auf die Branchenentwicklung genommen hat. Dieser Unternehmensanalyse zufolge ist zum Beispiel der durchschnittliche Umsatzanteil der Lohn- und Teilefertigung auf 20 Prozent gewachsen. Das ist nach Experteneinschätzung eine Reaktion auf die in Summe deutlich schlechtere Auftragslage aus dem Automobil- und Aerospace-Umfeld. Im Vergleich zum Vorjahr macht die Herstellung von Neuwerkzeugen nach Angaben des Branchenexperten Jens Lüdtke, Vorstandsmitglied und Gutachter beim Marktspiegel Werkzeugbau, einen weit geringeren Umsatzanteil aus. Viele Unternehmer haben nach den Zahlen des Monats März 2022 zwangsläufig nach Alternativen gesucht und versucht, zum Beispiel über Lohnfertigung an Aufträge zu kommen, um die Maschinen bestmöglich auszulasten.
Dienstleistungssektor gewinnt in den Zahlen des Monats März 2022 an Bedeutung
Ein Indiz dafür findet sich auch im nächsten für Lüdtke interessanten Ergebnis der Zahlen des Monats März 2022 wieder. Es zeigt, dass die Mitgliedsunternehmen aus dem Werkzeug‑, Modell- und Formenbau inzwischen 8,2 Prozent ihres Umsatzes über Dienstleistungen generieren. Das entspricht im Vorjahresvergleich einem Anstieg von 3,2 Prozent. Vorwiegend geht es hier um Service sowie Wartung und Instandhaltung von Werkzeugen. Das Ergebnis umfasst zwar keinen großen Anstieg, zeigt aber einen Trend auf, in dem eine Chance liegt. In dieser Phase, in der Aufträge für Neuwerkzeuge nur schwer zu ergattern waren, ging es im Servicebereich offenkundig tatsächlich leichter.
Im Fokus
Marktspiegel Werkzeugbau
Die Initiative Marktspiegel Werkzeugbau will der Branche der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauer und neu auch den Spritzgussteilefertigern mit fundiertem Branchenwissen die Möglichkeit eröffnen, systematisch besser und wettbewerbsfähiger zu werden. Die eigene Unternehmensentwicklung wird für die teilnehmenden Unternehmen in Individualreports transparent und messbar. Ergebnis ist ein Unternehmensvergleich, aus dem sich für die Mitgliedsunternehmen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Der Marktspiegel Werkzeugbau ist eine Initiative „aus der Branche für die Branche“. Die Organisationsform einer Genossenschaft stellt sicher, dass sich jedes Branchenmitglied umfassend beteiligen kann.
Für den Branchenexperten ist das Thema Geschäftsmodell einer der Erfolgsfaktoren für die Zukunft. Nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen, die die Pandemie in den Unternehmen angestoßen hat, fällt seine Ergebnisbewertung hier positiv aus Denn die Unternehmer lösen sich allmählich vom klassischen Geschäftsmodell, und der Dienstleistungssektor nimmt Fahrt auf. Ein Weg für die Zukunft könnte letztlich für so manches Unternehmen eine Kombination beider Bereiche sein. Also Neuwerkzeugbau und dazu mehr Service.
Zahlen des Monats März 2022 zeigen Potenzial für ausländische Absatzmärkte
Ein sinnvoller Strategiewechsel könnte aber auch die Erschließung ausländischer Absatzmärkte sein. Denn nur 22,5 Prozent des mit dem Verkauf von Werkzeugen oder Dienstleistungen generierten Umsatzes wird kommt aus dem Export. Davon der weit größte Anteil aus Österreich und der Schweiz. Für Deutschland als Exportland laut Lüdtke ein tendenziell eher niedriges Ergebnis. Hier liegt aus seiner Sicht noch „unfassbar hohes Potenzial“. Zumal viele Länder von der Werkzeugbaukompetenz hierzulande profitieren können. Deshalb ist ein interessanter Ansatz, weitere interessante Märkte zu identifizieren und sie systematisch zu erschließen.
Das sagt der Experte
„Jeder muss für sich bewerten, ob zum Beispiel die Lohnfertigung und der Service- und Wartungsbereich nur ein Notnagel in der aktuellen Zeit darstellen. Oder aber, ob es sich hierbei vielmehr um Geschäftsmodelle handelt, die weiter im Fokus bleiben und ausgebaut werden sollten.“
Jens Lüdtke ist Mitglied des Vorstands in der Genossenschaft Marktspiegel Werkzeugbau. Darüber hinaus ist er einer von drei Gutachtern im Team der Brancheninitiative. – Bild: Marktspiegel Werkzeugbau
Lüdtke rät allen Unternehmern, für sich die derzeit sinnvollen Geschäftsfelder zu definieren. Jeder muss für sich bewerten, ob zum Beispiel die Lohnfertigung und der Service- und Wartungsbereich nur ein Notnagel in der aktuellen Zeit darstellen. Oder aber, ob es sich hierbei vielmehr um Geschäftsmodelle handelt, die weiter im Fokus bleiben und ausgebaut werden sollten. Entscheiden sind die Fragen: Lässt sich damit Geld verdienen? Ist das eine praktikable Ergänzung zum bisherigen Geschäft? Und: Ergeben sich daraus Synergien? Für Lüdtke sind das die relevanten Herausforderungen, auf die Geschäftsführer nun eine Antwort finden müssen.
Professioneller Vertrieb laut Zahlen des Monats März 2022 immer wichtiger
Ein dringender Handlungsbedarf ergibt sich für die Werkzeug‑, Modell- und Formenbauer vor allem aus der teilweise extrem großen Abhängigkeit von einzelnen Branchen und von sehr wenigen Kunden. Die Datenanalyse des Marktspiegel Werkzeugbau ergab, dass die Unternehmen rund 70 Prozent ihres Umsatzes im Durchschnitt mit ihren gerade einmal fünf stärksten Kunden generieren.
Ein Kennwert, der sich im Vergleich zum Vorjahr leider nur unwesentlich verändert hat. Für Lüdtke ein klares Signal dafür, dass Vertrieb und die Professionalisierung des Vertriebs in den nächsten Jahren mit die wichtigsten Faktoren für nachhaltigen Erfolg sein werden. Die Zeiten, in denen Aufträge ‚einfach so‘ auf dem Schreibtisch landen, sind definitiv vorbei. Das ist vielen Unternehmern im vergangenen Jahr wohl schmerzhaft bewusst geworden. Der Markt verändert sich. Man muss am Ball bleiben, um an Aufträge zu kommen. Und das gelingt eben nur mit einem professionell aufgestellten Vertrieb. Den zu etablieren ist in dieser Branche eine der wichtigsten Aufgaben.