Die Branche des Werkzeug‑, Modell- und Formenbaus verändert sich und steht weiter unter einem enormen Druck. Die Aufträge sind nach wie vor rar, die Bezahlung ist immer noch schlecht, und Liquiditätsschwierigkeiten sind aktuell ein im Markt verbreitetes Sorgenthema. Stellt sich die Frage, wie sich diese prekären Verhältnisse auf die Produktivität der Unternehmen niederschlagen und welche Maßnahmen helfen können, die Folgen einzuschränken und abzumildern. Mehr zur Situation, in der sich die Branche befindet, zeigen die Zahlen des Monats April 2022 des Marktspiegels Werkzeugbau.
Die jüngste Auswertung des Marktspiegel Werkzeugbau aus dem Jahr 2021 betrachtet das Geschäftsjahr 2020. Und damit das erste Jahr, in dem die Covid-Pandemie signifikant Einfluss auf die Branchenentwicklung genommen hat. Den Zahlen des Monats April 2022 aus dieser Unternehmensanalyse zufolge beträgt die produktive Maschinenlaufzeit im Branchendurchschnitt derzeit nur rund 1800 h/Monat. Im Vergleich zum Vorjahr handelt es sich um einen Rückgang von 10 Prozent. Nach Erkenntnissen der Gutachter beim Marktspiegel Werkzeugbau lässt sich der Rückgang mit der allgemeinen Marktsituation in Verbindung mit Corona erklären. Es war einfach weniger Arbeit am Markt. In Summe – und das gilt auch für das Vorjahr – ist der Wert viel zu niedrig. Weil jede Maschine theoretisch 8760 Stunden im Jahr zur Verfügung steht, zeigt die Kennzahl eine Maschinenauslastung von gerade mal 20 Prozent. Viele Maschinen stehen die meiste Zeit still. Das Potenzial in den Unternehmen ist deshalb immens.
Zahlen des Monats April 2022 weisen auf geringe Auslastung auf zu vielen Maschinen hin
Ein Großteil der Betriebe setzt nach Beobachtung des Experten oft zu viele Fertigungsanlagen ein. Hier besteht laut den Zahlen des Monats April 2022 dringender Handlungsbedarf. Wer weniger Maschinen besser auslastet, kann eine höhere Effektivität und Produktivität erzielen und geringere Maschinenstundensätze erwirtschaften. Denn je mehr Maschinenkapazitäten Betriebe vorhalten, desto komplexer werden auch die Abläufe im Tagesgeschäft. Unternehmer sollten sich deshalb hinterfragen, ob tatsächlich jede der vorhandenen Maschinen gebraucht wird. Oder ob es vielleicht doch sinnvoller wäre, man würde den Maschinenpark Schritt für Schritt reduzieren und den Fokus darauf setzen, mit wenigen Maschinen eine möglichst hohe Produktivität zu erreichen. Das schafft zudem Klarheit und Transparenz.
Im Fokus
Marktspiegel Werkzeugbau
Die Initiative Marktspiegel Werkzeugbau will der Branche der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauer und neu auch den Spritzgussteilefertigern mit fundiertem Branchenwissen die Möglichkeit eröffnen, systematisch besser und wettbewerbsfähiger zu werden. Die eigene Unternehmensentwicklung wird für die teilnehmenden Unternehmen in Individualreports transparent und messbar. Ergebnis ist ein Unternehmensvergleich, aus dem sich für die Mitgliedsunternehmen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Der Marktspiegel Werkzeugbau ist eine Initiative „aus der Branche für die Branche“. Die Organisationsform einer Genossenschaft stellt sicher, dass sich jedes Branchenmitglied umfassend beteiligen kann.
Handlungsbedarf zeigt sich in den Zahlen des Monats April 2022 des Weiteren im unverändert hohen Bedienanteil an den Maschinen. Dieser beläuft sich bei den MW-Mitgliedsunternehmen auf 75 Prozent. Für die Marktspiegel-Werkzeugbau-Experten ein sehr hoher Wert. In vielen Betrieben aus der Branche wird im Umkehrschluss erst zu 25 Prozent mannlos gearbeitet. Mit Blick auf eine zunehmend höhere Anzahl automatisierter Maschinen und digital durchgängiger Prozessketten ist hier ebenfalls enormes Potenzial. Nach Überzeugung der Experten ist dieser Wert auch eine Folge der im Durchschnitt zu vielen Fertigungsanlagen in den Betrieben.“
Personalaufwand hat sich nach den Zahlen des Monats April 2022 etwas verbessert
Die nächste Kennzahl, die aus den Zahlen des Monats April 2022 zur Beurteilung der Produktivität eines Unternehmens herangezogen werden sollte, ist der durchschnittliche Personalaufwand zur Generierung einer Spindelstunde. Dieser beträgt im Marktspiegel 1,3 h. Hierbei wird betrachtet, wie viel Manpower für die Maschinenbedienung, Programmierung und Planung aufgewendet werden muss, um eine produktive Spindelstunde zu generieren. Der Aufwand ist im Vorjahresvergleich um etwa 7 Prozent gesunken. Für die Experten ein Silberstreif und sicher eine Folge der fortschreitenden Digitalisierung. Wenn es den Unternehmen jetzt gelingt, ihre Maschinenproduktivität und die mannlosen Laufzeiten zu verbessern, wird diese Kennzahl nach Überzeugung der Gutachter zudem einen deutlichen Sprung nach unten machen. Ansatzpunkte neben der Produktivität und den mannlosen Zeiten sind die Einführung beziehungsweise die Etablierung von Standards und Automatismen, um so den Programmieraufwand zu reduzieren und von einer höheren Prozesssicherheit profitieren zu können.
Das sagt der Experte
„Wer weniger Maschinen besser auslastet, kann eine höhere Effektivität und Produktivität erzielen und geringere Maschinenstundensätze erwirtschaften. Man muss sich dessen bewusst sein: Je mehr Maschinenkapazitäten Betriebe vorhalten, desto komplexer werden auch die Abläufe im Tagesgeschäft. Unternehmer sollten sich deshalb hinterfragen, ob tatsächlich jede der vorhandenen Maschinen gebraucht wird. Oder ob es vielleicht doch sinnvoller wäre, man würde den Maschinenpark Schritt für Schritt reduzieren und den Fokus darauf setzen, mit wenigen Maschinen eine möglichst hohe Produktivität zu erreichen. Das schafft so viel Klarheit und so viel Transparenz. Das mögen viele nicht für möglich halten.“
Jens Lüdtke ist Mitglied des Vorstands in der Genossenschaft Marktspiegel Werkzeugbau. Darüber hinaus ist er einer von drei Gutachtern im Team der Brancheninitiative. – Bild: Marktspiegel Werkzeugbau
Automatismen scheinen darüber hinaus ein zentrales Element bei der Strategieentwicklung eines erfolgreichen und produktiven Unternehmens zu sein. Denn den Zahlen des Monats April 2022 aus dem Marktspiegel Werkzeugbau zufolge weisen die fünf besten Unternehmen einen im Vergleich zum MW-Branchendurchschnitt rund 58 Prozent höheren Automatisierungsgrad auf. Digitalisierung und Automatisierung sind also wichtige Themen, woran Unternehmer weiterhin arbeiten sollten. In vielen Betrieben fehlt es aus Sicht der Experten beim Marktspiegel Werkzeugbau jedoch noch an den relevanten Basisprozessen. Sie müssen etabliert sein, um dann auch sinnvoll automatisieren und standardisieren zu können. Unter anderen Marktbedingungen wäre ihre Empfehlung, bei der Digitalisierung und Automatisierung sofort aktiv zu werden. Weil solche Investitionen indes mit Kosten verbunden sind und zur Unternehmensentwicklung passen müssen, warnen die Experten vor purem Aktionismus. Denn alles, was in diesem Feld passiert, sollte gezielt und gesteuert passieren. Darauf kommt es an, gleich welche wirtschaftlichen oder politischen Faktoren auf die Branche einwirken.
Niedrige Produktivität ist laut Zahlen des Monats April 2022 rin Ergebnis der schlechten Auftragslage
Das weiterhin sehr niedrige Niveau der Unternehmen im Bereich der Produktivität ist nach Erkenntnis des Marktspiegels Werkzeugbau ein Resultat der schwierigen Marktsituation im Jahr 2020. Viele Betriebe, so die Zahlen des Monats April 2022, waren nicht ausgelastet, weil es kaum Aufträge gab. Folglich sind die Maschinen deutlich weniger produktiv gelaufen. Es kam zu Liquiditätsengpässen, und schließlich standen einige Betriebe an der Insolvenzgrenze. Dass Unternehmern in solchen Phasen die Zeit fehlt, um an Basisthemen zu arbeiten, Prozessabläufe zu optimieren und die Produktivität zu verbessern, ist für Lüdtke nachvollziehbar. Trotzdem sollte man aufpassen, dass man nicht in einen Teufelskreis verfällt. Eine Notlage ist schließlich immer auch ein Treiber für Veränderung. Deshalb sollten die Unternehmen die aktuelle Situation auch als Chance sehen. Die Verantwortlichen sollten die Zeit nutzen und aktiv werden, damit die Unternehmen konkurrenzfähig bleiben sich insgesamt zukunftsfähiger aufstellen können.