In der Werkzeug‑, Modell- und Formenbaubranche herrscht Krisenstimmung. Bereits Mitte 2019 zeichnete sich ein bevorstehender Strukturwandel ab. Die bedeutendste Abnehmerindustrie, die Automobilbranche, reduziert programmatisch die Anzahl ihrer neuentwickelten Bauteile, was zu einem massiven Bedarfsrückgang an Formen und Werkzeugen führt. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel weniger Volumen zur Vergabe kommen wird als noch vor wenigen Jahren. Die Covid-19-Pandemie ist zwar nicht die Ursache für die Krise, hat hierbei jedoch katalytische Wirkung. Mehr zur Situation, in der sich die Branche befindet, sagen die Zahlen des Monats Mai 2022 aus den Erhebungen beim Marktspiegel Werkzeugbau.
Die Strategiekrise der Marktteilnehmer zeichnete sich vor etwa drei Jahren ab und hat sich mittlerweile laut den Zahlen des Monats Mai 2022 effektiv zu einer Erfolgskrise entwickelt. Die jüngste Benchmark-Auswertung des Marktspiegel Werkzeugbau aus dem Jahr 2021 betrachtet das Geschäftsjahr 2020. Sie unterstreicht die Problematik der Unternehmen auf deutliche Weise.
Umsatzentwicklung nach Zahlen des Monats Mai 2022 rückläufig
Der Analyse der Marktspiegel Werkzeugbau eG zufolge sind die durchschnittlichen Jahresumsätze der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauunternehmen binnen eines Jahres um annähernd 9 Prozent. Auch wenn die Gutachter den Umsatzrückgang weniger hoch erwartet haben – mit Einbußen haben sie fest gerechnet. Einerseits, weil der Bedarf am Markt fehlt und es weniger Aufträge gibt. Andererseits aber auch, weil die am Markt bezahlten Preise sinken.
Im Fokus
Marktspiegel Werkzeugbau
Die Initiative Marktspiegel Werkzeugbau will der Branche der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauer und neu auch den Spritzgussteilefertigern mit fundiertem Branchenwissen die Möglichkeit eröffnen, systematisch besser und wettbewerbsfähiger zu werden. Die eigene Unternehmensentwicklung wird für die teilnehmenden Unternehmen in Individualreports transparent und messbar. Ergebnis ist ein Unternehmensvergleich, aus dem sich für die Mitgliedsunternehmen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Der Marktspiegel Werkzeugbau ist eine Initiative „aus der Branche für die Branche“. Die Organisationsform einer Genossenschaft stellt sicher, dass sich jedes Branchenmitglied umfassend beteiligen kann.
Im Zusammenhang mit der Preisqualität lohnt es sich, eine weitere Kennzahl in den Fokus zu nehmen: die Pro-Kopf-Wertschöpfung, die auch als Pro-Kopf-Rohertrag bezeichnet wird. Sie ist laut Zahlen des Monats Mai 2022 im Jahresverlauf von 2019 auf 2020 zum ersten Mal in den Aufzeichnungen des Marktspiegels zurückgegangen, und zwar von 120 000 Euro um zirka 15 Prozent auf 103 000 Euro. Für Hornig ist diese drastische Verschlechterung bedenklich. „Hier zeigt sich ein massives Problem“, erklärt er. Als Ursache benennt er auch hier die geringe Auslastung in den Unternehmen verbunden mit der schlechten Preisqualität.
Zahlen des Monats Mai 2022 weisen eine negative Umsatzrendite aus
In der Branche lässt sich beobachten, dass viele Unternehmer sich gezwungen fühlen, Aufträge anzunehmen, nur um die eigene Belegschaft vor Kurzarbeit zu retten. Denn dass sich ein Auftrag positiv auf das Ergebnis auswirkt, ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein deutliches Indiz dafür ist die durchschnittliche Umsatzrendite (EBT zu Gesamtleistung) der Benchmark-Teilnehmer aus dem Werkzeug‑, Modell- und Formenbau. Sie ist nach den Zahlen des Monats Mai 2022 von 3,6 Prozent im Vorjahr auf besorgniserregende minus 8,26 Prozent zurückgegangen.
Das sagt der Experte
„Wir sehen, wie die Betriebe auf ihre Rücklagen zugreifen, um die Verluste auszugleichen. Die Unternehmen haben ja schon in den vergangenen Jahren keine großen Gewinne erwirtschaftet. Jetzt aber haben wir ein Niveau erreicht, das höchst frustrierend ist: Die Unternehmer arbeiten wie verrückt, und das Geld wird weniger anstatt mehr. Ich kann nachvollziehen, dass das keinen Spaß macht.“
Claus Hornig ist Mitglied des Vorstands in der Marktspiegel Werkzeugbau eG. Darüber ist er einer von drei Gutachtern im Team der Brancheninitiative. – Bild: Marktspiegel Werkzeugbau
Deutlich mehr als die Hälfte der am Marktspiegel Werkzeugbau teilnehmenden Unternehmen konnten nach den Zahlen des Monats Mai 2022 im Jahr 2020 demnach kein positives oder ausgeglichenes Ergebnis erzielen. Eine erschütternde Entwicklung, wenn man bedenkt, dass im Berichtsjahr 2018 noch 9 von 10 Betrieben ein zumindest positives Vorsteuerergebnis ausgewiesen haben. Im Berichtsjahr 2019 reduzierte sich die Anzahl bereits, sodass nur noch 6 von 10 Unternehmen eine positive Umsatzrendite erwirtschaften konnten. Mit minus 8,26 Prozent ergibt sich im Marktspiegel nun ein Rekord-Tiefstwert.
Zahlen des Monats Mai 2022 zeigen, dass Rücklagen aufgebraucht werden
In Anbetracht der negativen Umsatzrendite ist es wenig verwunderlich, dass auch die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Jahr 2020 im Marktspiegel einen Einbruch von 8 Prozent erlitten hat. Aus der Strategiekrise entwickelte sich für einen Großteil der Unternehmen eine Erfolgskrise. Die Gutachter sehen, wie die Betriebe auf ihre Rücklagen zugreifen, um die Verluste auszugleichen. Die Unternehmen haben ja schon in den vergangenen Jahren keine großen Gewinne erwirtschaftet. Jetzt aber haben wir ein Niveau erreicht, das höchst frustrierend ist: Die Unternehmer arbeiten wie verrückt, und das Geld wird weniger anstatt mehr. Nachvollziehbar, dass das keinen Spaß macht.
Es ist nach den Zahlen des Monats Mai 2022 damit zu rechnen, dass die Unternehmen noch weitere Jahre diese herausfordernde Marktsituation meistern müssen. Deshalb lautet die Devise: Cash is King! Eigenkapital ist notwendiger denn je. Davon sind die Branchenexperten überzeugt. Das hilft den Betrieben, durch diese Zeit zu kommen, und stellt die Handlungsfähigkeit nachhaltig sicher.
Einige Betriebe sind laut Zahlen des Monats Mai 2022 in der Liquiditätskrise
Aus der Erfolgskrise entsteht momentan für viele zwangsläufig eine Liquiditätskrise. Folgt man Prognosen für die Werkzeug‑, Modell- und Formenbaubranche, werden diese Krise 20 bis 30 Prozent der Unternehmen nicht überstehen. Sie werden vom Markt verschwinden. Die Gutachter erwarten über die kommenden Jahre eine massive Marktbereinigung. Es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Die Insolvenz als Weg der Sanierung sollten Unternehmenslenker nach Meinung der Experten nicht von vorneherein ausschließen. Im Gegenteil. In Zukunft werden sich wohl noch so manche Unternehmen damit auseinandersetzen müssen.
Im Check Wege aus der Krise – Was nun zu tun ist Für Werkzeug-, Modell- und Formenbauunternehmer mag es hilfreich sein, sich vor Augen zu halten, dass eine Krise nichts Unnatürliches ist. Wichtig ist, eine Krise als solche frühzeitig zu erkennen, damit die passenden Maßnahmen eingeleitet werden können. Dafür gibt es die Krisenforschung. Was also tun? Arbeiten Sie an innovativen Geschäftsmodellen Mehr denn je gilt es, neue Geschäftsmodelle zu finden. Die marktlichen Rahmenbedingungen für den Verkauf von Arbeitskraft und Maschinenkapazität sind denkbar schwierig. Man sollte sich ehrlich eingestehen, dass die meisten Betriebe Know-how bieten, welches bereits global omnipräsent verfügbar ist. Das Geschäftsmodell der bloßen Herstellung von Formen und Werkzeugen ist von zu geringer Komplexität. Das macht diese Leistung zu einem leicht vergleichbaren Commodity-Produkt. Der Marktspiegel Werkzeugbau empfiehlt den Unternehmern daher dringend, nicht mehr länger in Technologien und Produkten zu denken, sondern in Geschäftsmodellen. Darauf kommt es in Zukunft an. Denken Sie über Kooperationen nach Die Betriebsgröße der Werkzeug-, Modell- und Formenbauunternehmen ist ein Problem. Die meisten Betriebe der Branche sind zu klein, um den sich heute abzeichnenden wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dem geschuldet zeichnen sich bereits erste Unternehmenszusammenschlüsse ab. Das ist durchaus ein überlegenswerter Weg. Stellen Sie betriebswirtschaftliche Kompetenz im Unternehmen sicher Mehr denn je sind es „unternehmerische Fähigkeiten“ und weniger das technische Können, die über die Zukunft der Unternehmen bestimmen werden. Der Unternehmergeist aus der Branche, der Gestaltungswille der Unternehmer ist nach wie vor vorhanden. Jedoch verfügen die wenigsten der doch eher kleinen Betriebe über die notwendigen kaufmännischen Kompetenzen, um die Profitabilität zu gewährleisten. Hier raten die Experten dringend dazu, sich dieses Wissen im Zweifelsfall von extern ins Unternehmen zu holen. Treffen Sie unternehmerische Entscheidungen rational Nie war es wichtiger, zu wissen, wo das eigene Unternehmen im Branchenvergleich steht und in welchen Unternehmensbereichen Handlungsbedarf liegt. Der Marktspiegel-Werkzeugbau-Benchmark ist ein maßgeschneidertes Instrument, um den Wandlungsprozess zu gestalten.