Einer der großen Schmerzen in der Werkzeug‑, Modell- und Formenbaubranche, das wird bei der Auswertung für die Zahlen des Monats Juli 2022 deutlich, ist die große Abhängigkeit von einzelnen Branchen und sehr wenigen Auftraggebern. Wer diese Abhängigkeit aufbrechen und flexibler am Markt auftreten möchte, muss das Thema Vertrieb zwangsläufig in den Fokus rücken. Und sich darüber hinaus dort professionell aufstellen. Genau hier fängt jedoch für die Unternehmen die Herausforderung an. Denn blickt man zurück, war Vertrieb in dieser Branche noch bis vor wenigen Jahren nahezu überflüssig. Die Auftragsbücher waren jahrzehntelang prall gefüllt, ohne dass sich überhaupt jemand mit Akquise beschäftigen musste.. Das Geschäft lief. Und zwar größtenteils getrieben von treuen Bestandskunden.

Inzwischen zeigt sich die Marktlage dynamisch wie nie. Werkzeug‑, Modell- und Formenbaubetriebe leiden nicht zuletzt unter der hohen Fluktuation in den Einkaufsabteilungen ihrer Geschäftspartner. Um einen Auftrag zu bekommen, müssen sie sich immer wieder neu positionieren. Das ist mühsam und für die Branche vor allem eins – ungewohnt. Hier ist ein Umdenken gefordert. Die Gutachter beim Marktspiegel Werkzeugbau sehen ein großes Defizit beim Vertrieb in der Branche. Hier sind oft deshalb noch keine Strukturen und zudem Aktivitäten etabliert, weil viele Geschäftsführer die Notwendigkeit von kontinuierlicher Marktnähe für die Zukunftssicherung ihrer Unternehmen noch nicht vollumfänglich erkannt haben. Denn wer nur im Unternehmen und nicht nah am Markt ist, wird nach Ansicht der Experten keinen Vertrieb machen können. Unternehmer müssen zeigen, dass sie offen sind für Aufträge. Dazu müssen sie sich darstellen und aktiv für Sichtbarkeit sorgen.
Zehlen des Moats Juli 2022 rücken Vertrieb in den Fokus
Unternehmer brauchen ein smartes Verständnis dafür, was der Markt gerade braucht, wer entscheidet, in welcher Form entschieden wird und wie dies zur Erreichung von Unternehmenszielen genutzt werden kann. Wer keine Verbindungen zu Entscheidungsträgern hat, bekommt in der Regel überhaupt nicht die Möglichkeit, sich für ein Angebot zu bewerben. Darüber hinaus schult Vertrieb, wie das Unternehmen bei einer Angebotsplatzierung kompetitiv sein kann – hinsichtlich Preis, Lieferzeiten, Qualität, Innovationskraft und Technologie. In der Theorie ist ein professionell aufgestellter Vertrieb also ein bedeutender Treiber für erfolgreich agierende Unternehmen.
Aktive Marktbearbeitung steht hoch im Kurs
Die jüngsten Benchmark-Ergebnisse des Marktspiegel Werkzeugbau aus den Erhebungen aus dem Jahr 2021 zeigen einen Trend hin zur aktiven Marktbearbeitung über eine direkte Kundenansprache. So gaben zum Beispiel schon knapp 70 Prozent der Unternehmen an, Kaltakquise für die Neukundengewinnung einzusetzen. Im Vorjahr waren es erst 45 Prozent. An Relevanz gewinnt ebenso der Vertrieb via Social Media. LinkedIn ist mit knapp 30 Prozent des Nutzungsanteils im Teilnehmerfeld das führende Berufsnetzwerk für Vertriebsaktivitäten. Xing liegt mit knapp 20 Prozent leicht dahinter.
Vertrieb via Social Media wird nach den Zahlen des Monats Juli 2022 oft noch unterschätzt
Unternehmer, die diese Plattformen bislang noch nicht als Vertriebskanal nutzen, verschenken wertvolles Potenzial. Für die Bestandskundenpflege und Neukundengewinnung ist Social Media zudem eine hervorragende Optio. Zudem sind bereits in der kostenfreien Nutzung schon hohe Reichweiten möglich . Je sichtbarer man in den Berufsnetzwerken auftritt, desto mehr potenzielle Auftraggeber können auf einen aufmerksam werden. Das muss nach Meinung der Experten den Verantwurtlichen in den Unternehmen viel deutlicher bewusst sein.
Im Fokus
Marktspiegel Werkzeugbau
Die Initiative Marktspiegel Werkzeugbau will der Branche der Werkzeug‑, Modell- und Formenbauer und neu auch den Spritzgussteilefertigern mit fundiertem Branchenwissen die Möglichkeit eröffnen, systematisch besser und wettbewerbsfähiger zu werden. Die eigene Unternehmensentwicklung wird für die teilnehmenden Unternehmen in Individualreports transparent und messbar. Ergebnis ist ein Unternehmensvergleich, aus dem sich für die Mitgliedsunternehmen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Der Marktspiegel Werkzeugbau ist eine Initiative „aus der Branche für die Branche“. Die Organisationsform einer Genossenschaft stellt sicher, dass sich jedes Branchenmitglied umfassend beteiligen kann. Wenn auch Sie herausfinden möchten, welche Ansatzpunkte es gibt, um sich nicht nur im Bereich Marketing wettbewerbsfähiger zu positionieren oder wie Sie im Vergleich zu Ihren Marktbegleitern abschneiden, dann melden Sie sich an für den praxisorientierten Unternehmensvergleich.
Unternehmer sollten sich deshalb überlegen, wie sie das Leistungsportfolio mittels Unternehmensprofil, Posts und Content sichtbar machen können. Netzwerken ist für den Vertriebserfolg das A und O. Man darf gern mutig sein und potenzielle Neukunden proaktiv anschreiben. Und zudem den Kontakt zu Bestandskunden pflegen. Kommentieren und Liken wird oft unterschätzt, denn man gewinnt zudem auch damit an Präsenz in der Zielgruppe.
Gutachter warnen vor überstürztem Aktionismus
Zwar ist in der Regel jede Aktivität, die auf das Neukundengeschäft einzahlt, per se gut. Dennoch sollten Unternehmer sich nicht von planlosem Aktionismus treiben lassen. Wenn aufgrund einer schlechte Marktlage überstürzt in Vertrieb investiert wird, fehlen zumeist die Planungsgrundlage und Zieldefinition. Denn die müssen die Verantwortlichen im Einklang mit den strategischen Unternehmenszielen vorgeben. Überstürzter Aktionismus ist an dieser Stelle keine Hilfe. Wer plötzlich keine Aufträge mehr hat und aus der Not heraus Akquise betreibt, neigt dazu, den übergeordneten Fokus auf die Unternehmensentwicklung aus den Augen zu verlieren. Das gilt es zu vermeiden. Ziel sollte stets sein, den Kühlschrank voll zu machen, solange man keinen Hunger hat.
Hier zeigte die Branche bereits im Vorjahr erheblichen Nachholbedarf. Mehr als 70 Prozent der Unternehmen gaben an, keine Vertriebsaktivitäten zu planen. In den jüngsten Auswertungen ist darüber hinaus Vertriebsplanung weiterhin für 60 Prozent der Unternehmen kein relevantes Thema. Dennoch werden im Bereich Kaltakquise und Außendienst bei knapp 70 Prozent der Unternehmen zumindest taktische Vertriebsaktivitäten erprobt und genutzt.
Vertriebsplanung laut Zahlen des Monats Juli 2022 mit Nachholbedarf
Ein Vertriebsziel könnte zum Beispiel sein: Gewinn von fünf Neukunden aus der Medizintechnik. Bei einer Vertriebsplanung sollte festgelegt werden, wie ein Unternehmen dieses Ziel erreichen kann. Hier gibt es im Vorfeld vielerlei Fragen zu beantworten. Beispielsweise:
- In welchem Zeitraum ist das Ziel zu erreichen?
- Welches Personal soll dafür eingesetzt werden?
- Welche Maßnahmen sind dafür nötig?
- Wie komme ich an den Datenpool, um die Kontakte via Kaltakquise oder Außendienst anzugehen?
Aktiver Vertrieb kann nur funktionieren, wenn eine klare Vertriebsplanung existiert. Die muss zudem abgestimmt sein mit der aktuellen Umsatz- und Geschäftssituation des Unternehmens. Unternehmer sollten deshalb unbedingt den Vertrieb auf die strategische Agenda setzen. Gut beraten ist also derjenige, der sich erstmal Gedanken macht, wo er hinmöchte. Im zweiten Schritt, welche Aktivitäten dafür strategisch Sinn machen. Und letztlich, wie diese über das Jahr entsprechend organisiert werden können. Erst dann sollte man dem Experten zufolge Ressourcen dafür freistellen oder aufbauen und in Kaltakquise investieren. Wichtig ist zudem, mit durchdachter Planung unmittelbar auf die Umsetzungsebene zu kommen. Außerdem ist schnelles und gezieltes Handeln gefragt. Klares Ziel definieren, Maßnahmen abstecken und einfach machen.

Das sagt der Experte
„Wer nur im Unternehmen und nicht nah am Markt ist, wird keinen Vertrieb machen können. Unternehmer müssen zeigen, dass sie offen sind für Aufträge. Dazu müssen sie sich darstellen und aktiv für Sichtbarkeit sorgen. Wer keine Verbindungen zu Entscheidungsträgern hat, bekommt in der Regel überhaupt nicht die Möglichkeit, sich für ein Angebot zu bewerben. Aktiver Vertrieb kann zudem nur funktionieren, wenn eine klare Vertriebsplanung existiert, abgestimmt mit der aktuellen Umsatz- und Geschäftssituation des Unternehmens. Ich rate jedem Unternehmer deshalb, Vertrieb auf die strategische Agenda zu setzen.“
Benedikt Ruf war bis April dieses Jahres einer von drei Gutachtern im Team der Brancheninitiative. – Bild: Marktspiegel Werkzeugbau
Eine ebenso hohe Relevanz wie die Planung hat bei Vertriebsaktivitäten das Vertriebscontrolling – sprich nachgelagerte Erfolgskontrollen. Diese scheinen, bei den Unternehmen im Marktspiegel Werkzeugbau inzwischen an Bedeutung zu gewinnen. Waren es im Vorjahr weniger als 20 Prozent, messen nunmehr schon knapp 40 Prozent der Unternehmen den Vertriebserfolg. Auch wenn die Tendenz positiv ist, zeigen die Erfahrungswerte der Gutachter, dass selbst Betriebe, die eine Vertriebsplanung aufgesetzt und Vertriebspersonal eingestellt haben, nicht zwangsläufig Erfolgskontrollen von Aktivitäten umsetzen. Das ist aus Sicht der Experten besonders bedauerlich. Denn nur wer Ziele im Fokus behält und zudem kurzfristig kontrolliert, kann sicherstellen, dass wertvolle Ressourcen nicht ins Leere laufen.
Vertriebscontrolling als Wirkungskontrolle dringend etablieren
Die Zeiten haben sich geändert. Wer Aufträge sicherstellen möchte, muss aktiv daran arbeiten. Vertrieb ist alternativlos geworden. Genau deshalb sollten ihn die Verantwortlichen als natürliche Komponente mit in die Prozesskette integrieren. Unternehmer können sich nicht mehr erlauben, sich hier zurückzulehnen. Was zählt, ist der Prozess der kontinuierlichen Marktbearbeitung. Und der darf nicht als anstrengend empfunden werden. Dieser Prozess muss natürlich wirken und von Unternehmen gelebt werden. So natürlich wie die Luft zum Atmen.“
Was die Gutachter an den Unternehmern aus dem Werkzeug‑, Modell- und Formenbau so schätzen, ist die große Passion, mit der sie ihrer Arbeit nachgehen.Sie würden sich allerdings wünschen, dass es den Unternehmern dieser Branche gelingt, diese Leidenschaft darüber hinaus auch auf Vertriebsmaßnahmen und die Kommunikation nach außen zu übertragen. Denn das wird das einfachste, natürlichste und erfolgreichste Vertriebsmittel sein, das ihnen zur Verfügung steht.