Unter dem Motto „Vom Formenbau zur Formenfabrik“ hatte der Nürnberger Systemintegrator Weschu gemeinsam mit Partnern in die Räumlichkeiten des Fassnacht Werkzeug-Formenbaus nach Bobingen bei Augsburg eingeladen. Weschu ist seit inzwischen mehr als 40 Jahren Partner für hochwertige Werkzeugmaschinen, Automation und Zubehör speziell im Bereich Werkzeug- und Formenbau. Im Fokus stand der komplette Prozessdurchgang vom CAD/CAM-Modell bis zum fertigen Formeinsatz. Gastgeber Wolfgang Fassnacht, Geschäftsführer des Vorzeige-Unternehmens, konnte zahlreiche Interessenten begrüßen. Praxisnah und umfassend führten die Referenten in einem anwendungsorientierten Workshop durch die gesamte Prozesskette. Beteiligt waren neben dem Gastgeber Fassnacht die Unternehmen Hexagon, SGL Carbon, Zecha und Zimmer & Kreim mit spannenden Fachvorträgen aus den verschiedenen Technologiebereichen.
Wie entscheidend das CAD/CAM-System für den gesamten Prozess ist und wie die richtige Strategie die Industrialisierung der Prozesse und damit den Weg zur Formenfabrik erst ermöglicht, zeigte Johannes Ott, Senior Application Engineer bei der Hexagon Manufacturing Intelligence Germany GmbH. Mit dem Modul Visi Elektrode kann der Anwender die Elektrodenerstellung automatisieren und die Elektrodengeometrie vom Bauteil extrahieren. Für die extrahierte Geometrie wird automatisch ein Rohteil festgelegt, dessen Abmaße der Programmierer beliebig verändern kann. Der Benutzer wählt den Halter aus einer Bibliothek. Ein lokaler Bezugspunkt gewährleistet die exakte Positionierung der Elektrode relativ zum Bauteil. Unter anderem können je Elektrode eine Anzahl von Schrupp‑, Vorschlicht- und Schlichtelektroden und deren Untermaße festgelegt werden.
Formenfabrik mit durchgängiger Prozesskette
Wie die Auswahl der Graphitsorte und die besonderen Eigenschaften des Elektrodenwerkstoffs die Funkenerosion beeinflussen, zeigte Wolfgang Lenarz, Director Product Management bei der SGL Carbon GmbH. Graphitelektroden bieten zahlreiche Vorteile. Generell lassen sich mittels Senkerodieren Geometrien realisieren, die frästechnisch nicht darstellbar sind. Graphit verbiegt sich nicht bei mechanischer Überlastung, sondern bricht – was zunächst wie ein Nachteil klingt, ist in der Praxis ein großer Vorteil: Beschädigungen lassen sich leicht erkennen, und eine gebrochene Elektrode trägt nicht an den falschen Stellen Material ab. Zudem verformt sich Graphit im Erodierprozess nicht, es ist thermisch stabil und ermöglicht hohe Abtragsraten. Die Oberflächengüte ist speziell mit Feinkorngraphiten inzwischen recht hoch. Vor allem aber spart der Anwender mit Graphit viel Zeit und Material. Und er gewinnt an Prozesssicherheit und ‑stabilität – wesentliche Faktoren für die Gestaltung automatisierter Prozessabläufe in der Fertigung einer Formenfabrik.
Vorausgesetzt, die Bearbeitung der Elektroden vor dem Erodierprozess ist optimal. Welche Parameter und Funktionsbereiche bei der Graphitbearbeitung eine Rolle spielen, verdeutlichte Andreas Weck, Technischer Vertrieb und Anwendungstechnik bei der Zecha Hartmetall-Werkzeugfabrikation GmbH. Die effiziente Bearbeitung von Graphitelektroden erlaubt mit modernen Bearbeitungszentren selbst sehr filigrane 3D-Konturen mit Toleranzen im µm-Bereich. Dazu muss jedoch die Auswahl des Werkstoffs selbst ebenso passen wie die Programmierung der Fräs- oder Erodiermaschinen und die diamantbeschichteten Mikrofräser. Weck zeigte beim Workshop neue Wege und Trends und gab Tipps und Tricks, mit denen die Teilnehmer zusätzliches wirtschaftliches und qualitatives Potenzial der Elektrodenfertigung im Zuge einer Formenfabrik ausschöpfen können.
Modularer Aufbau wächst mit
„Modular gebaut – smart gedacht“: Unter diesem Motto beleuchtete Michael Huth, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Zimmer & Kreim GmbH & Co. KG, das Thema der vernetzten Produktion in einer Formenfabrik. Eine leistungsfähige Fertigungsorganisation erfordert nicht nur hochwertige Komponenten – diese müssen zudem auch in optimaler Weise zusammenarbeiten. Dabei sollen die Fertigungslösungen darüber hinaus auch flexibel sein und bei sich ändernden Anforderungen auch erlauben, vorhandene Ressourcen effektiv weiterzunutzen. Ein konsequent modularer Aufbau bringt all diese Anforderungen unter einen Hut. Automatisierung ist im Werkzeug- und Formenbau der Schlüssel zu Qualitätssicherung und effizienter Auftragsbearbeitung. Je höher der Grad der Automatisierung im Unternehmen ist, desto weniger Fehler entstehen. Und desto kontinuierlicher sind alle Maschinen im Einsatz.
Im Fokus
Excellence in Production
Der jährlich stattfindende Wettbewerb des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen sowie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT verfolgt seit 2003 das Motto „Lernen von den Besten“. Mehr als 300 Werkzeug- und Formenbaubetriebe nutzen jedes Jahr die Gelegenheit, kostenlos und anonym ihre Position im Wettbewerb zu ermitteln. Die Daten helfen dabei, das eigene Unternehmen zu optimieren. Die Siegerehrung des aus dem Benchmark resultierenden Wettbewerbs „Excellence in Production“ zum „Werkzeugbau des Jahres“ findet traditionell im Krönungssaal des Aachener Rathauses statt – in diesem Jahr am November 2024.
Wie all das in der Praxis aussieht, verdeutlichte Nico Korkisch, Leiter CAM-Programmierung beim Fassnacht Werkzeug-Formenbau. Er zeigte die Bedeutung der Automation aus Sicht des Anwenders. Und er berichtete vom Aufbau der Prozesskette und der Umsetzung in der Fertigung. Das Herzstück der Fertigung wurde kontinuierlich ausgebaut.
Kontinuierlicher Ausbau zur Formenfabrik
Das automatisierte Senkerodierzentrum gruppiert heute um ein Chameleon-Handlingsystem mit Linearroboter von Zimmer & Kreim ein Röders-HSC-Frässystem RXP 601 DSH zum Elektrodenfräsen, eine 3D-CNC-Messmaschine DuraMax HTG von Zeiss und zwei Senkerodiermaschinen Genius 1000, ebenfalls von Zimmer & Kreim. Dabei ist die Automatisierungslösung mit dem Modul Visi Elektrode nahtlos in die vorhandene CAD/CAM-Struktur eingebunden.
Ein ausgiebiger Rundgang durch den Vorzeigebetrieb, der erst vor kurzer Zeit das neue Gebäude bezogen hat, schloss die gelungene Veranstaltung ab. Die technische Ausstattung lässt wohl kaum Wünsche offen. Und beim Thema Nachhaltigkeit agiert der Betrieb vorbildlich. Die Werkzeugbauer nutzen vorhandene Ressourcen intelligent und sorgt so nebenbei für einen kleinen CO₂-Footprint.