Die Formenbauer bei Koller in Oberbürg bei Dietfurt haben sich in den vergangenen Jahren einen exzellenten Ruf für hohe Kompetenz und Qualität bei automotiven Großwerkzeugen erworben. Speziell dann, wenn es um RTM-Werkzeuge geht oder wenn beim Spritzgießen Mehrkomponententechnik im Spiel ist. Beim Schlichten verlassen sich die Experten auf zwei vertikale Portalfräszentren VF3021 des tschechischen Werkzeugmaschinenherstellers Trimill.
Für Werkzeugbauer, die in der Automotive-Branche arbeiten, werden die Ansprüche ihrer Kunden hinsichtlich Präzision und Oberflächenqualität insbesondere dann zur Herausforderung, wenn Toleranzen und Referenzwerte auch in großen Dimensionen einzuhalten sind. Sie zu erfüllen – dazu gehört viel Erfahrung und insbesondere auch der richtige Maschinenpark. Als sich beim Koller Formenbau ein neuer Auftrag eines großen bayrischen Automobilherstellers ankündigte, stieß man bei entsprechenden Schlichtkapazitäten an Grenzen. Also machten sich die Verantwortlichen auf die Suche nach entsprechenden Kapazitäten. Im Fokus standen Maschinen, die zum einen genügend Steifigkeit für Schrupparbeiten mitbrachten, zum anderen aber auch die notwendige hohe Dynamik für effizientes und effektives Schlichten.
„Wir wollten High-Tech-Maschinen mit hoher Genauigkeit, die unsere Anforderungen optimal erfüllen“, erklärt der Fertigungsleiter. „Wir haben zwar noch einen technologischen Vorsprung, aber andere schlafen ja auch nicht. So werden beispielsweise Werkzeuge aus China durchaus besser.“ Allerdings: Nicht nur aus ökologischen Gründen – Stichwort kurze Wege – rechnet sich die Werkzeugproduktion in Deutschland. „Vorausgesetzt, man entwickelt sich weiter und bleibt nicht stehen“, betont Ferstl.
Werkzeugbauer brauchen einen leistungsfähigen Maschinenpark
Neben der Investition in Forschung und Entwicklung benötigt ein Werkzeugbauunternehmen aber auch einen leistungsfähigen Maschinenpark auf aktuellem Stand, um im globalisierten Markt die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und weiter auszubauen. Daher war der Entschluss konsequent, weiter in hochwertige Bearbeitungstechnik zu investieren.
Im Profil
Koller Gruppe
Koller ist ein global agierendes Technologieunternehmen mit Hauptsitz in Oberbürg. Dort entstehen im eigenen Werkzeugbau sowohl für die Kunden als auch für den Bedarf der eigenen Schwesterunternehmen maßgeschneiderte Spritzgießwerkzeuge, Composite-Werkzeuge, Anlagen und Vorrichtungen. In der Koller Gruppe sind Lösungskompetenz aus dem Werkzeugbau und langjährige Erfahrung aus der Serie vereint. Damit kann Koller von der ersten Idee über die Bauteilentwicklung bis zur industriellen Serienproduktion die gesamte Wertschöpfungskette abbilden – und zwar weltweit.
Fündig wurde das Team um Markus Ferstl, Leiter Fräsen beim Koller Formenbau – nicht zum ersten Mal – bei ihrem Maschinenpartner Dremo Werkzeugmaschinen: Dremo-Experte Oliver Gasteier empfahl ein Modell des tschechischen Großmaschinenherstellers Trimill.
Trimill VF3021 war nicht die erste Maschine aus Tschechien
„Wir haben schon seit Jahren verschiedene Trimill-Maschinen von Dremo im Einsatz“, erklärt Ferstl. „Wir wussten also, dass die Maschinen zum einen sehr präzise sind. Und wir wussten zum anderen auch, dass sie die Präzision mit höchster Zuverlässigkeit am Werkstück umsetzen.“
Darüber hinaus war auch die Zusammenarbeit mit Dremo und dem Service des Maschinenherstellers aus Zlin in der Vergangenheit immer reibungslos verlaufen. „Man merkt deutlich, dass auch Trimill ein familiengeführtes Unternehmen ist“, erklärt Ferstl. „Die wissen genau, worauf es ankommt. Die Maschinen sind sehr gut, und das gilt auch für die Servicemonteure.“
Portalbearbeitungszentren Trimill VF3021 sind für Werkzeug- und Formenbau konstruiert
So kam im Herbst 2016 die erste Trimill VF3021 ins Haus. Diese stabil gebaute 5‑Achs-Portalfräsmaschine mit obenliegendem Gantry ist speziell für die Bedürfnisse des Werkzeug‑, Formen- und Gesenkbau entwickelt.
Sie erlaubt mit ihrem Zwei-Achsen-Gabelfräskopf bei feststehendem Maschinentisch nicht zuletzt auch dank des stationären Werkstücks eine sehr präzise Fünfseitenbearbeitung. So lassen sich auch sehr komplexer Werkstücke bei hoher Oberflächenqualität in einer Aufspannung fertig bearbeiten.
Heidenhain-Steuerung ermöglicht sehr gute Bedienbarkeit
Die Heidenhain-Steuerung iTNC530 sorgt für einfache Bedienbarkeit des Trimill-Bearbeitungszentrums sowie für Effizienz und Genauigkeit in der Umsetzung. Darüber hinaus erlaubt sie mit dem separaten Handbedienteil ein schnelles und bequemes Einrichten der Maschine. In der Regel werden die Maschinen mit fertig programmierten und simulierten Programmen gefüttert. Für eine optimale Auslastung der Maschinen sorgen die Fertigungsplaner mit dem Manufacturing Execution System ProLeiS von Tebis.
Im Fokus
Trimill VF3021
Die 5‑Achs-Portalfräsmaschine Trimill VF3021 ist speziell für die Bedürfnisse des Werkzeug‑, Formen- und Gesenkbau entwickelt. Sie erlaubt mit ihrem Zwei-Achsen-Gabelfräskopf eine sehr präzise Fünfseitenbearbeitung. Maschinentisch und Werkstück sind stationär. Die Maschine lässt sich mit verschiedenen Spindeln ausrüsten. Die Spindeln fürs Schlichten drehen bis 24 000 min-1 und verfügen über eine Werkzeugaufnahme HSK A63 (es gibt auch eine Schruppvariante mit HSK-A100-Schnittstelle. Der Arbeitsbereich der Maschine in X/Y/Z liegt bei 3000 x 2100 x 1200 mm, die Achsen verfahren mit bis zu 40 000 mm/min. Der 3500 x 2250 mm große Maschinentisch verträgt eine Belastung von 7 t pro m2. Die VF3021 lässt sich mit einer aktiven thermischen Stabilisierung mit Wasserkreislauf ausrüsten. Der last- und thermosymmetrische Aufbau der Maschine und die geschlossene Konstruktion von Doppelbalken und Kreuzschieber mit innenliegender, rundum geführter Schieberfräseinheit (box-in-box Design) tragen weiterhin zu einer nachhaltig hohen Präzision und Oberflächengüte am Werkstück bei.
Die Spindel dreht bis 24 000 min-1, sie verfügt über eine Werkzeugaufnahme HSK A63. Die Maschine stellt 40 Werkzeugplätze bereit. Ihre Arbeitsbereiche in X/Y/Z liegen bei 300 x 2100 x 1200 mm, die Achsen verfahren mit bis zu 40 000 mm/min, ihre Beschleunigung liegt bei 4 m/s2. Der 3500 x 2250 mm große Maschinentisch verträgt eine Belastung von 7 t pro m2 – das reicht auch für große RTM-Werkzeuge wie etwa für den Seitenrahmen eines neuen Pkw-Modells.
Genauigkeitspaket verleiht der Trimill VF3021 Präzision und Prozessstabilität
„Wir haben unsere VF3021 mit einem Hochgenauigkeitspaket bestellt, zu dem auch eine aktive thermische Stabilisierung gehört. Die für die bei uns notwendige Präzision relevanten Komponenten sind mit einem Wasserkreislauf klimatisiert“, beschreibt Ferstl das Konzept der VF3021. „Dazu kommt der last- und thermosymmetrische Aufbau der Maschine, der uns konstant gute Fräsergebnisse ohne böse Überraschungen ermöglicht.“ Zur dauerhaft hohen Genauigkeit trägt jedoch auch die geschlossene Konstruktion von Doppelbalken und Kreuzschieber mit innenliegender, rundum geführter Schieberfräseinheit bei. Trimill nennt es das „box-in-box Design“.
Der Aufwand ist notwendig. Denn auch bei einem Temperaturdelta in der großen Halle von bis zu 13 K im Sommer soll die Maschine an allen Punkten im Arbeitsraum eine Genauigkeit von maximal ± 20 µm über eine Zeit von 48 h zuverlässig garantieren.
Angenehme Zusammenarbeit mit dem Maschinenhersteller auf Augenhöhe
„Dass das durchaus keine Selbstverständlichkeit ist, bekamen wir anfangs schmerzhaft zu spüren“, erklärt Ferstl. „Wir waren zunächst nicht zufrieden mit den ersten Ergebnissen, die die Trimill lieferte. Unsere Gespräche mit Trimill führten dann aber sehr schnell dazu, dass die Maschinenbauer Sensoren und die entsprechende Regelintelligenz in die Maschine integrierten. Und seither funktioniert’s. Die Zusammenarbeit mit Trimill ist auf Augenhöhe, die hören sehr genau darauf, was wir als Anwender brauchen. Und sie setzen es dann intelligent und praxistauglich um.“
Die Trimill VF3021 ist angesichts ihres großzügigen Arbeitsraums eine trotzdem sehr kompakte Maschine, die nur eine relativ kleine Aufstellfläche benötigt. Für den Werkzeug- und Formenbau sehr vorteilhaft ist, dass Schrupp- und Schlichtbearbeitung in einer Aufspannung möglich sind.
Ansprüche an die hohe Präzision der Maschine im Schlichtprozess
„Aufgrund der hohen geforderten Präzision beim Schlichten nehmen wir die beiden Maschinen allerdings höchstens für leichtere Schrupparbeiten“, erläutert Ferstl. „So stellen wir sicher, dass wir die Ansprüche an die hohe Präzision der Maschine im Schlichtprozess auch nachhaltig umsetzen können.“
Mein Standpunkt
Mehr aufeinander hören
Eine Partnerschaft auf Augenhöhe – dazu gehört auch, dass man den anderen ernst nimmt. Insbesondere im Werkzeug- und Formenbau muss das auch so sein. Speziell da, wo an High-End-Werkzeugen gearbeitet wird und Herausforderungen im Grenzbereich an der Tagesordnung sind. Diese Impulse aus den zerspanenden Betrieben aufzunehmen und umzusetzen – für Trimill eine Selbstverständlichkeit. Die Tschechen holen mit hoher Maschinenbaukunst, intelligenten Konzepten und den Möglichkeiten der Digitalisierung das Optimum für ihre Anwender aus den Bearbeitungszentren heraus. Unspektakulär, auch im direkten Austausch mit den Experten, die die Maschinen bedienen. Man hört auf die Wünsche und Bedürfnisse des Anwenders. Kein Wunder, dass die Werkzeugbauer bei Koller auf „ihre“ beiden Trimill VF3021 schwören.
Richard Pergler
Als die Formenbauer bei Koller dann die Aufträge im Bereich der großen RTM-Werkzeuge ins Haus holten und die Kapazitäten im Bereich der hochgenauen Fräsbearbeitung großer Teile erneut erweitert werden mussten, war klar, welcher Maschinenhersteller als Favorit ins Rennen ging.
Zwei Trimill VF3021 sichern Bearbeitungskapazitäten ab
Und so fand im Jahr 2019 eine zweite Trimill VF3021 den Weg in die Halle. „Bei dieser Werkzeugkategorie sitzen unsere Wettbewerber in Deutschland und in Portugal – ihre Zahl ist angesichts der notwendigen Erfahrung, des hart erarbeiteten Know-hows und auch der Investition in entsprechende Bearbeitungskapazitäten noch überschaubar.“
Denn gerade bei solch anspruchsvollen Werkzeugen muss die ganze Prozesskette passen. Vom CAD/CAM über das Bearbeitungszentrum und die Werkzeuge bis zum Finsihing. So ist es auch kein Zufall, dass bei Koller vor kurzem auch eine XXL-Tuschierpresse, eine Millutensil MIL305 aufgebaut wurde. In ihrer Größe und Ausstattung ist diese Presse einzigartig in Europa. So wird sie unter anderem auch mit Drehteller für die Mehrkomponententechnik ausgestattet sein. Die Entscheidung für die beiden Portalfräszentren Trimill VF3021 ist da ein logischer Baustein im Aufbau einer Prozesskette. Mit diesem umfassenden Ansatz stellt Koller ganzheitlich die Qualität der produzierten Werkzeuge sicherst.
Die beiden Portalfräszentren Trimill VF3021 stehen vis-à-vis auf ihrem Podest
Die beiden Trimill-Portalfräszentren stehen heute einander gegenüber auf einem auf dem Hallenboden aufgebauten Fundament. Dieses verbindet als Podest die beiden Zentren auf einer Ebene. So wird das Rüsten und auch die Bedienung der Maschinen für den Mitarbeiter sehr ergonomisch. Und er hat zudem beide Maschinen sehr gut im Blick. Die Beladung der meist schweren Werkstücke erfolgt in der Regel per Kran.
„Mit den beiden Maschinen erreichen wir zuverlässig die hohe Präzision und die Oberflächengüten, die wir für unsere anspruchsvollen Automotive-Kunden garantieren müssen“, betont Ferstl. „Wir sind sehr zufrieden. Und unsere Kunden sind das auch. Die VF 3021 sind Herzstücke unserer Fräserei. Wir sind sehr glücklich damit, dass wir diese hochgenauen Maschinen haben.“ Rw