Rund 45 Mitglieder der Forschungsgemeinschaft Deutscher Werkzeug- und Formenbauer FDWF hatten sich auf Einladung des Werkzeugmaschinenherstellers Hermle in seinen Werkshallen in Gosheim getroffen, um während der FDWF-Strategietage 2024 an Vision, Strategie und Roadmap zu arbeiten. Die Teilnehmer der Strategietage repräsentierten namhafte Unternehmen der Branche auf Geschäftsleitungsebene sowie Forschungsinstitutionen und Hochschulen insbesondere aus dem Umfeld des Werkzeug- und Formenbaus sowie der Kunststoffindustrie. Neben dem Maschinenbauer Hermle unterstützten auch Hydraulikzylinderspezialist AHP Merkle und Präzisionswerkzeughersteller Zecha Hartmetall-Werkzeugfabrikation die Veranstaltung.
Ziel der FDWF ist es, die Unternehmen der Branche zu unterstützen und über vorwettbewerbliche Forschung und Entwicklung die Innovationskraft und die internationale Konkurrenzfähigkeit des Werkzeug‑, Formen- und Schnittbaus zu sichern. Es gilt speziell, die Lücke zur ausländischen Konkurrenz zu schließen. Im Gegensatz zur vornehmlich klein- und mittelständisch geprägten Branche hierzulande gehören zum internationalen Wettbewerb schließlich auch Großunternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern und entsprechenden Ressourcen.
Strategietage für vernetzte Forschung im Werkzeug- und Formenbau
Die Werkzeug- und Formenbauer im deutschen Sprachraum sehen in ihrer Vernetzung und gemeinschaftlichen Forschungsaktivitäten einen Weg, hier mitzuhalten, die eigenen Ressourcen sinnvoll zu bündeln und international die Technologieführerschaft erfolgreich zu verteidigen.
Im Fokus
Forschungsgemeinschaft Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (FDWF)
Grundsätzlicher Zweck der FDWF ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Die gemeinnützige FDWF legt hier den Fokus auf mittelstandsbezogene Gemeinschaftsforschung. Die Forschungsgemeinschaft soll Werkzeug‑, Formen- und Schnittbau-Betriebe mit dem Ziel unterstützen, langfristig ihre Konkurrenzfähigkeit auf globaler Ebene zu sichern. Diese Fokussierung ist in der Satzung des Vereins ausdrücklich verankert.
Auf der Tagung informierte FDWF-Präsident Professor Thomas Seul (Hochschule Schmalkalden) zunächst über die neue Situation in der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF). Für diesen Bereich stellt der Bund über das BMWI in diesem Jahr rund 200 Mio. Euro an Fordermitteln zur Verfügung. Hier wechselt die Verantwortung zur Umsetzung von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) zum Projektträger des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Kern bleibt der Zugang zu Fördermitteln aus der IGF indes erhalten.
Status der eingereichten Projekte in der FDWF
Zudem gab Seul einen umfassenden Überblick über den Status der bereits eingereichten Projekte. Einige dieser aus der Branche kommenden Forschungsthemen haben gute Chance auf Förderung. Allerdings sind aufgrund der Tatsache, dass der Bundeshaushalt noch nicht steht, im Moment alle Fördergelder in der Warteschleife. Seul rechnet daher erst ab März mit der Bewilligung erster Projekte. Zudem waren sich die Teilnehmer einig, sich im Rahmen der FDWF künftig auch um weitere zusätzliche Quellen für Fördermittel zu bemühen.
Über aktuelle Tendenzen in der Branche informierte Jens Lüdtke von Tebis Consulting, gleichzeitig Vorstandsmitglied n der Brancheninitiative Marktspiegel Werkzeugbau. Er hatte gute Nachrichten im Gepäck. So hat sich die Auftragslage in den vergangenen Jahren in der Branche wieder spürbar verbessert. Das gilt ebenso für die Preissituation. Angesichts der gestiegenen Kosten war es notwendig, Preiserhöhungen durchsetzen zu können. Der Pro-Kopf-Rohertrag in den Unternehmen ist auf 130 000 Euro angestiegen. Zudem war im untersuchten Jahr 2022 die Umsatzrendite der Unternehmen im Branchendurchschnitt nach negativen Werten auf plus 2,6 Prozent gestiegen. Dazu trägt außerdem wohl auch ein Wandel bei den OEM bei, die in jüngster Vergangenheit wieder verstärkt regional einkaufen. Positive Trends, die sich nach Beobachtung von Lüdtke auch im vergangenen Jahr weiter entwickeln konnten.
Teilnehmer der Strategietage feilen an Vision und Strategie
Zu Vision und Strategie stellte Werner Siedl (Traumfirma) die Überlegungen des Teams um die Vorstandschaft zur Diskussion. Diese Themen sollen in den nächsten Wochen mit Einbeziehung der Vorschläge der Teilnehmer weiter an Kontur gewinnen.
Den zweiten Tag eröffneten Anna Tschacha, 1. stellvertretende Vorsitzende der FDWF für den Bereich Spritzgussformenbau, und Mario Kiefer, 2. stellvertretender Vorsitzender für den Bereich Stanz‑, Biege- und Umformwerkzeugbau, mit einer Zusammenfassung des Vortags und einer Fragerunde. Auf Anregung der Teilnehmer sollen insbesondere Vision und Strategie in den nächsten Wochen in einer Online-Session vom Vorstand gemeinsam mit Interessierten aus der Gemeinschaft verfeinert werden.
Datenbanken für Fördermöglichkeiten
Zwar gibt es Datenbanken, die unterschiedlichste Fördermöglichkeiten auflisten. Meist aber quer über alle Branchen hinweg. Auf Initiative der Teilnehmer soll ein Verzeichnis und eventuell ein Newsletter entstehen, der explizit die für die Branche relevanten Angebote listet und so einen schnellen und doch fundierten Überblick ermöglichen soll.
Breiten Raum nahm die Vorstellung der in der FDWF integrierten Forschungseinrichtungen und deren Schwerpunkte ein. So präsentierte Professor Wolfgang Boos, Geschäftsführer der WBA Werkzeugbauakademie, sein Institut. Nach sechs Jahren „Dauerkrise“ sieht er die Branche vor einem grundlegenden Paradigmenwechsel. Ein großes Thema wird aus seiner Sicht die öko-effiziente Fertigung im Werkzeug- und Formenbau. Weitere Themen markieren ein breites Spektrum von der Integration additiver Verfahren als sechstes Technologiefeld in die Produktion über kollaborative Zusammenarbeit und Fachkräftegewinnung bis hin zum Umgang mit der sich verändernden Globalisierung.
Strategietage bieten Bühne für Forschungsinstitute
Udo Hinzpeter vom KIMW‑F, einer Forschungseinrichtung unter dem Dach des Kunststoffinstituts Lüdenscheid, zeigte neben den Möglichkeiten für Projekte entlang der gesamten Kunststoffverarbeitungsprozesskette die Vorteile des starken Netzwerks rund um das Institut. Wie sich technologische Grenzen verschieben lassen, zeigte er am Beispiel der Prozessentwicklung im Bereich CVD-Schichten für Kunststoffformen. Hier lassen sich Schichten mit hoher Dichtigkeit abscheiden, die auch bei hohen Temperaturen zuverlässigen Schutz bieten. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung stellt energieeffiziente Produktionswerkzeuge in den Mittelpunkt.
Constantin Vogel von der Technischen Hochschule Deggendorf, skizzierte die drei Schwerpunkte der niederbayrischen Einrichtung in den Bereichen Datenmanagement, Kollaboration und Wissensmanagement. Eines der interessantesten Produkte ist die Erforschung und Erarbeitung einer gemeinsamen „Sprache“ für die Kollaboration auch von verschiedenen Unternehmen auf digitaler Ebene. Das Medium für eine umfassende Informationsübertragung ist eine detaillierte Farbcodierung.
Neue Sprache für Kollaboration
Die bis zu 16,8 Mio. Farben tragen dabei nicht nur alle relevanten Informationen zur mechanischen Bearbeitung. Auch für die Montage beispielsweise lassen sich umfassende Informationen hinterlegen. Das ermöglicht eine klare, transparente und eindeutige Kommunikation. Und in der Konsequenz ein umfassend automatisiertes und optimiertes Abarbeiten der Aufträge, unabhängig davon, in welchem der beteiligten Unternehmen die Ressourcen zur Produktion verfügbar sind. Ideale Voraussetzung, wenn in der Zusammenarbeit bisherige Unternehmensgrenzen keine Rolle mehr spielen sollen.
Der Bereich „Angewandte Kunststofftechnik“ an der Hochschule Schmalkalden unter Leitung in der Doppelspitze der Professoren Thomas Seul und Stefan Roth gehört zur Fakultät Maschinenbau. Seul verwies auf die sehr gute Ausstattung der Forschungseinrichtung in den Feldern Werkzeug- und Formenbau sowie Kunststofftechnik insbesondere für die Produkt- und Prozessentwicklung. Dabei steht das Produkt im Vordergrund, es bestimmt letztlich das Verfahren. Mit SimuPredict hat die Forschungseinrichtung unter anderem ein Projekt zur simulationsbasierten Vorhersage von Verschleiß im Pitch, ein weiteres Projekt befasst sich mit dem regelbasierten Konstruktionsprozess (ReKuPro).
Ressourceneffizientes Produzieren
Das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz ist in der Fraunhofer-Gesellschaft das deutsche Leitinstitut für ressourceneffizientes Produzieren. Dabei haben die Forscher ganz im Sinne regenerativer Systeme und der Kreislaufwirtschaft die gesamte Prozesskette im Blick. Im Forschungszentrum „Kognitive Produktion“ untersuchen sie vornehmlich den Verbund informatischer, softwaretechnischer, mechanischer und elektrischer Komponenten zu eingebetteten, intelligenten Produktionsmitteln, kurz die cyber-physischen Produktionssysteme.
All diese Forschungseinrichtungen arbeiten sehr praxisorientiert und stehen zudem im engen Kontakt und Austausch mit den Unternehmen der Branche. Die Ansprechpartner für interessierte Unternehmen sind auf Augenhöhe mit den Praktikern des Werkzeug- und Formenbaus – optimale Voraussetzungen für erfolgreiche Forschungsarbeit.
Strategietage zur Verfeinerung der Roadmap genutzt
Zum Abschluss gingen die Teilnehmer daran, die Forschungs-Roadmap FDWF „Schlüsselposition Produktionswerkzeug“ mittels eines Punktesystems zu bewerten und zu priorisieren. Mit weitem Abstand wählten die FDWF-Mitglieder das Themenfeld der Geschäftsmodelle für den Werkzeug- und Formenbau. Hier geht es um die Entwicklung innovativer Prozesslandkarten, Forschungen zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder, aber auch um digitale Transformation und die Schaffung vernetzter Strukturen in kollaborativen Wertschöpfungsketten zur Fertigung von Produktionswerkzeugen im industriellen Werkzeug- und Formenbau. Unter vielen anderen Themen kamen mit Abstand auf den geteilten Platz 2 die Themenfelder Entwicklung von energieeffizienten und ressourcenschonenden Produktionswerkzeugen sowie neue Technologien, Automatisierungskonzepte, Verfahren und Fertigungsstrategien. Ziel der Priorisierung ist das Fortschreiben und Verfeinern der Roadmap.
Zahlreiche weitere Themen standen im Fokus der Teilnehmer. Neben der Arbeit im Plenum stand genügend Zeit zum Netzwerken zur Verfügung. Ein interessanter Rundgang durch die Fertigung bei Hermle rundete das Programm ab. Die nächsten FDWF-Strategietage vom 28. bis 29. Januar 2025 werden die Agenda und die Roadmap fortschreiben.