Zu seinem Horber Werkzeugtag 2021 hatte das Institut für Kunststoff- und Entwicklungstechnik IKET, Horb, eingeladen. Für Ausrichter und Teilnehmer eine Premiere: Pandemiebedingt war es die erste Veranstaltung dieser Reihe, die rein online ausgetragen wurde. Wie VDWF-Präsident Prof. Thomas Seul in seinem Grußwort betonte, ist der alljährliche Horber Werkzeugtag zudem längst ein fester Bestandteil im Kalender der Branche geworden. Ein breiter thematischer Bogen spannte sich von der Werkzeugtemperierung bis zur Situation der Branche in der aktuellen Krise.
Der erste Impulsvortrag auf dem Horber Werkzeugtag 2021 von Prof. Bernhard Rief vom Institut für Kunststoff- und Entwicklungstechnik IKET befasste sich mit der auf den zweiten Blick gar nicht so trivialen Frage: „Wann müssen Thermoplast-Spritgießwerkzeuge gekühlt, wann müssen diese beheizt werden?“
Im Mittelpunkt des Beitrags stand die Wärmebilanz für ein Spritzgießwerkzeug. Rief stellte zudem ein kleines Berechnungstool (auf der Website des Instituts zum Download bereitgestellt) für die Ermittlung der Wärmebilanz vor.
Praxisnahe Beiträge auf dem Horber Werkzeugtag 2021
Professor Rief zeigte außerdem mit zahlreichen praxisnahen Auslegungsbeispielen, wie das in der Praxis für effiziente Werkzeuge umgesetzt werden kann.
Im Fokus
Horber Werkzeugtag
Es war eine Premiere – und die war sehr erfolgreich: Der 17. Horber Werkzeugtag 2021 wurde erstmals mit Hilfe des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) und mit Unterstützung von wortundform virtuell ausgerichtet. Die Teilnehmer trafen auf kompetente Referenten mit praxisrelevanten Themen. Das Themenspektrum reichte von Hilfsmitteln zur thermischen Auslegung und Prozesskontrolle bis zu den Grundlagen der konturnahen Werkzeugtemperierung. In einer Podiumsdiskussion wurde die Situation der Branche kritisch beleuchtet.
Reiner Westhoff von Contura MTC GmbH, Menden, einem Unternehmen, das sich mit der Entwicklung von konturfolgenden Temperierungskonzepten befasst, beleuchtete beim Horber Werkzeugtag 2021 die „Konturnahe Werkzeugtemperierung als Basis für variotherme Spritzgießprozesse“.
Welche Einflussgrößen bestimmen den Prozess?
Nach einem Exkurs zu den Grundlagen der konturnahen Werkzeugtemperierung mit zahlreichen Praxisbeispielen beleuchtete er, was Variothermie genau ist und welche Einflussgrößen zudem die Prozesse bestimmen.
Mit vielen Beispielen für variotherme Anwendungen machte Westhoff somit die Thematik für die Teilnehmer beim Horber Werkzeugtag 2021 greifbar.
Horber Werkzeugtag 2021: nützliche Tools zur Werkzeugauslegung
Robert Held vom Süddeutsches Kunststoffzentrum SKZ, Würzburg beleuchtete beim Horber Werkzeugtag 2021 unter dem Titel „Tools 4 Tools“ Hilfsmittel zur thermischen Auslegung und Prozesskontrolle. Es existieren schließlich viele Möglichkeiten in der Werkzeugkiste für Werkzeugbauer und Spritzgießer.
Von der Ausbildung für Werkzeugkonstrukteure bis zum Bemusterer gibt es außerdem zahllose Möglichkeiten für den Einsatz der Tools. Von der Simulation bis zu DOE und zur Inline-Qualitätssicherung. Anschließend gab Held auch einen Ausblick auf die Simulation für Duroplaste und das Drucken von Werkzeugeinsätzen, etwa per Laser Cusing.
Stephan Berz von der HRSflow GmbH in Frankfurt am Main gab beim Horber Werkzeugtag 2021 einen Ausblick auf „Technische und wirtschaftliche Markttrends in der Spritzgieß-Werkzeugtechnik für die Automobilindustrie“. Er zeichnete ein aktuelles Bild der Automobilbranche im Umbruch. Seiner Erkenntnis nach beschäftigt zudem New Mobility die Lieferkette.
Die jüngsten Auswirkungen durch Corona haben die Situation gerade für den deutschen Werkzeugbau nicht einfacher gemacht. Das zeigte auch der Überblick, den Berz auch über die Automotive-Industrie hinaus ausweitete. Hier lauern zwar Gefahren, aber durchaus auch Chancen für die Unternehmen der Branche.
Spannende Podiumsdiskussion beschließt Horber Werkzeugtag 2021
Berz zeigte in seinem Beitrag, wie Unternehmen damit umgehen, welche Markttrends es außerdem gibt, welche technischen Entwicklungen diskutiert werden und wie die direkten Auswirkungen auf die Technik und die Unternehmen in der Werkzeubau- und Spritzgießerbranche aussehen. Eine aussagekräftige und zudem aktuelle Momentaufnahme zu technischen, wirtschaftlichen und vor allem kunststofftechnische Trends.
Eine Online-Podiumsdiskussion zur aktuellen Situation des deutschen Werkzeug- und Formenbaus beendete schließlich die gelungene Veranstaltung. Hier wurde insbesondere thematisiert, wie notwendig zudem Forschung für die Unternehmen der Werkzeug- und Formenbaubranche ist. Prof. Thomas Seul betonte, dass sich hier große Potenziale heben lassen. Er erklärte jedoch auch, dass es Sache der Unternehmen ist, die Themen für die Forschung zu setzen. Seul zeigte zudem Wege auf, wie sich das in der Branche praxisnah umsetzen lässt.
Johannes Engl vom Südtiroler Hanns Engl Werkzeugbau in Bozen sieht die Lage im italienischen Werkzeugbau stark in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Viele der Aufträge der norditalienischen Werkzeugbauer kommen aus Deutschland, und die Rahmenbedingungen der Unternehmen sind durchaus vergleichbar. Auch hier ist die Lage in der Branche sehr gemischt, nicht zuletzt abhängig davon, für welche Auftraggeber die Unternehmen arbeiten.
Kooperation unter Werkzeugmachern wird immer wichtiger
Erwin Oelsner vom Mikrospritzgussspezialisten Stolz&Seng thematisierte in der lebhaften Online-Podiumsdiskussion beim Horber Werkzeugtag 2021 die Kooperation zwischen Werkzeug- und Formenbauten. Die wird gerade in Zeiten eines sich verschärfenden Wettbewerbs immer wichtiger.
Auch, wenn es nicht um das hin- und Herschieben von Aufträgen geht: Dass in der Kooperation mehr herauskommt als die Summe der Einzelbeiträge, beweist Stolz&Seng in der engen Zusammenarbeit mit Deckerform. Zwar sind die Tätigkeitsfelder und die Produkte der beiden Unternehmen grundverschieden. Trotzdem lohnt die Zusammenarbeit. Beispielsweise bei der Entwicklung der Unternehmensstrategien – hier profitieren beide Unternehmen.