Spritzgießwerkzeuge werden immer komplexer. Umso wichtiger ist für die Verantwortlichen beim Koller Formenbau in Oberbürg, die Funktionalität von Schiebern, Kernzügen und Auswerfern schon prüfen zu können, bevor das Werkzeug auf die Spritzgießmaschine kommt. Mit einem Kernzugaggregat „Core-Pull“ von Dremo ist das nun bereits in einem frühen Status möglich – schnell, mobil und zuverlässig.
Die Auftraggeber der Werkzeugspezialisten beim Koller Formenbau schätzen die ausgereiften, serienproduktionsreifen Werkzeuge des Unternehmens. Diese hohe Produktionsreife hat System. Die mechanische Fertigung ist gekennzeichnet von sehr hoher Genauigkeit bei geringen Toleranzen im unteren einstelligen µm-Bereich. Höchste Präzision ist ein Markenzeichen der Formenbauer in Oberbürg – und das muss auch so sein.
Tuschierpresse und Kernzugaggregat
Nicht von ungefähr zählen alle namhaften Premiummarken aus dem Automotive-Sektor zu den Auftraggebern der Werkzeugmacher. Qualität wird daher ganz groß geschrieben. Als Quality Gates stehen in den Montagehallen mehrere Tuschierpressen des italienischen Premium-Herstellers Millutensil bereit. So können die Werkzeugspezialisten die einzelnen Komponenten der teilweise hochkomplexen Formen auch im Zusammenspiel überprüfen.
Seit kurzem verfügt der Koller Formenbau über Europas größte Tuschierpresse mit integriertem Drehteller für das Finalisieren von 2K- und 3K-Werkzeugen. Es ist eine Millutensil MIL305 für Werkzeuge bis 75 t.
Nur µm-genaues Fräsen allein reicht nicht
„In der Überprüfung der Geometrien, beim Tuschieren und bei den entsprechenden Anpassungen sind wir damit seit langem sehr gut aufgestellt“ erklärt Georg Sippl, Leiter der Endmontage bei Koller. „Wir fräsen sehr genau und suchen in der mechanischen Fertigung durchaus das µ. Aber bei unseren hoch komplexen Werkzeugen ist das allein noch lange keine Garantie für ein reibungsloses Funktionieren. Was uns bislang fehlte, war die Möglichkeit zu einer einfachen, aber aussagekräftigen Überprüfung der Funktionen beweglicher Teile im Werkzeug.“
Im Profil
Koller Gruppe
Das global agierende Technologieunternehmen mit Sitz in Oberbürg über dem Altmühltal fertigt im eigenen Werkzeugbau sowohl für die Kunden als auch für den Bedarf der eigenen Schwesterunternehmen maßgeschneiderte Spritzgießwerkzeuge. Der Formenbau in Oberbürg ist das Herzstück der Unternehmensgruppe. Composite-Werkzeuge, Anlagen und Vorrichtungen. Hier zahlt es sich aus, dass in der Gruppe Lösungskompetenz aus dem Werkzeugbau und langjährige Erfahrung aus der Serie vereint sind. Koller kann von der ersten Idee über die Bauteilentwicklung bis zur industriellen Serienproduktion die gesamte Wertschöpfungskette abbilden – und zwar weltweit. Die Produkte aus Koller-Werkzeugen finden unter anderem Anwendung in Ladeböden, Hutablagen, CFK-Nasspressteilen und Spritzgussteilen für Klein- und Großserien in der Automobilindustrie mit dem besonderen Fokus auf Leichtbau.
Denn die hydraulischen Funktionen einer Spritzgießform, darüber hinaus auch die Schaltfunktionen und Endschalter etwa der Zylinder ließen sich bisher oft erst auf der Produktionsmaschine erstmals testen. Aber auch etwas scheinbar Banales wie die Dichtigkeit der Hydraulikkreisläufe können die Formenbauer erst dann zuverlässig beurteilen, wenn die Leitungen mit Hydraulikflüssigkeit gefüllt sind und der korrekte Betriebsdruck anliegt.
Kernzugaggregat für umfassende Prüfungen
Um die Funktionalität von Schiebern, Kernzügen oder auch Auswerfern zu überprüfen, ist ein Hydraulikaggregat mit den entsprechenden Möglichkeiten zur Ansteuerung der Hydraulikzylinder notwendig. Und das stand bislang eben nur auf der Produktionsmaschine zur Verfügung.
„Allerdings sind die Stundensätze der wertvollen Produktionsmaschinen in der Regel sehr hoch. Und wir wollen es auch unseren Auftraggebern nicht zumuten, kostbare Maschinenzeit für solche Tests zu verschwenden“, erklärt Sippl. „Dazu kommt, dass es für uns Werkzeugbauer oft wünschenswert ist, ohne großen Aufwand die relevanten Funktionen bereits in einem frühen Stadium der Werkzeugmontage überprüfen zu können.“
Auf der Spritzgießmaschine sind Korrekturen teuer
Ist ein Werkzeug erst einmal auf der Spritzgießmaschine, sind auch kleine Abweichungen und Fehler ärgerlich. „Und wenn es nur ein verrutschter O‑Ring ist oder ein Hydraulikschlauch, der nicht absolut dicht ist“, erläutert Sippl. „Wenn man das erst auf der Maschine entdeckt, ist vermeidbarer Ärger vorprogrammiert. Außerdem sind die Kosten für die Behebung auf der Maschine um Faktoren höher, als wenn das bereits in einem früheren Stadium auffällt.“
Um Transportkosten fürs Werkzeug zu vermeiden und um bei möglichst geringem Aufwand eine umfassende und valide Überprüfung der Werkzeuge zu ermöglichen, war eine mobile, einfach und sicher zu nutzende Lösung gefordert. Eine Lösung, die nicht nur in der Lage ist, die Zylinder zu fahren. Sondern auch die Endlage der Zylinder zuverlässig anzuzeigen.
Kernzugaggregat als mobile Lösung
„Wir brauchen ein Gerät, das zum Werkzeug kommt – und nicht umgekehrt“, betont Sippl. „Es muss auf die Bedürfnisse der Werkstatt abgestimmt sein, alles mitbringen, was für die Tests notwendig ist. Und es muss sich schnell, unkompliziert und sicher einsetzen lassen.“ Eine geeignete Lösung für diese Herausforderung gab es jedoch bislang nicht auf dem Markt.
Schon seit Jahrzehnten arbeitet Koller eng mit Dremo zusammen, einem versierten Spezialisten für spanende Werkzeugmaschinen und Tuschierpressen für den Formenbau, der neben leistungsfähigen Großbearbeitungszentren auch die Tuschierpressen von Millutensil ins Unternehmen gebracht hat. Die Experten von Dremo sind auf die Branche spezialisiert. Und sie kennen Ansprüche und Bedürfnisse der Werkzeug- und Formenbauer aus dem Effeff.
Qualitätskomponenten „made in Germany“
Deshalb hat Dremo gemeinsam mit namhaften deutschen Formenbauern unter der Bezeichnung Dremo „Core-Pull“ eine wohldurchdachte Familie aus Kernzugaggregaten entwickelt. Die Geräte werden komplett in Deutschland aus Qualitätskomponenten hergestellt und montiert. Eines der ersten dieser Geräte ist nun bei den Formenbauern in Oberbürg im Einsatz.
Im Fokus
Kernzugaggregate „Core-Pull“
Die kompakt aufgebauten und mobil einsetzbaren Anlagen im funktionellen Design sind je nach Ausführung für das Überprüfen und Einarbeiten von Formen mit bis zu sechs Schiebern, Kernzügen und Auswerfern ausgelegt. Die Kernzugeinheiten der „Core-Pull“-Reihe sind insbesondere zur Steuerung und Kontrolle von Hydraulikzylindern mit Endlagenabfragen konzipiert. Sie werden in erster Linie für die Funktionsprüfung von Kernzug- und Auswerferfunktionen im Bau oder darüber hinaus zur Reparatur und Wartung von Spritzgießformen eingesetzt.
Die neuen Kernzugaggregate der „Core-Pull“-Baureihe sind kompakt aufgebauten und mobil einsetzbar. Die Geräte der Serie sind je nach Ausführung für das Überprüfen und Einarbeiten von Formen mit bis zu sechs Kreisläufen für Schieber, Kernzüge und Auswerfer ausgelegt.
Für Neuwerkzeuge und Reparaturen
„Der Schritt vom CAD ins wahre Leben ist komplexer, als man oft annimmt. Mit unserer neuen ‚Core-Pull‘- Kernzugeinheit können wir schon weit vor der Abmusterung verlässlich die Funktionen der Hydraulikzylindern mit Endlagenabfragen kontrollieren und überprüfen“, erläutert Sippl. Wir setzen unsere Kernzugeinheit zwar erster Linie für die Funktionsprüfung von Kernzug- und Auswerferfunktionen von Neuwerkzeugen zum Einsatz.“
Darüber hinaus ist „Core-Pull“ bei Koller aber auch bei Reparaturen und Wartungen von Spritzgießformen eine große Hilfe. „Und es gibt inzwischen so manches komplexe Werkzeug, das sich erst dann öffnen lässt, wenn vorher ein Kernzug gefahren wird. Das war bislang immer mit viel Improvisation verbunden“, ergänzt Sippl. „Mit ‚Core-Pull‘ haben wir jetzt einen Weg, diese Werkzeuge sicher, einfach und schnell zu handeln.“
Kompletter Trockenlauf mit Kernzugaggregat möglich
Dank des mobilen Einsatzes von „Core-Pull“ können die Werkzeugbauer alle wesentlichen Funktionen vor Ort simulieren. Und Koller spart zudem dank einer Reduzierung der Korrekturschleifen und der Transporte des Werkzeugs wertvolle Zeit. Wenn an einem Werkzeug etwas noch nicht optimal ist, können es die Werkzeugfachleute so frühzeitig erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.
„Im Zusammenspiel mit unseren Tuschierpressen können wir sogar im Trockenlauf ganze Produktionszyklen durchspielen“, betont Sippl. „Im Prinzip haben wir bis auf den Kunststoff und die Temperierung die gleichen Abläufe wie auf der Spritzgießmaschine. Und wir können so prüfen, ob das Werkzeug einwandfrei läuft. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass unser Auftraggeber ein ausgereiftes Werkzeug mit geprüfter Funktionalität auf die Spritzgießmaschine bekommt. Ein großer Vorteil – denn so kann er die Produktion unmittelbar und ohne große Korrekturen starten.
Kernzugaggregat mit bis zu sechs Hydraulikkreisläufen
Das Kernzugaggregate Dremo „„Core-Pull““ bei Koller verfügt über vier Hydraulikkreisläufe – geplant sind ebenfalls Varianten mit zwei und sechs Kreisläufen.
Im Fokus
Je früher, desto besser
Die „Zehnerregel der Fehlerkosten“ besagt, dass sich die Kosten für eine Fehlerbeseitigung mit jeder Wertschöpfungsphase, die zwischen Fehlerentstehung und Fehlerentdeckung verstreicht, verzehnfachen. Ein Zusammenhang, den die Arbeit mit „Core-Pull“ sehr augenscheinlich macht. Denn allein die Transportkosten beim klassischen Austesten der Form auf der Spritzgießmaschine und ihrer anschließenden Überarbeitung in der Werkstatt können sich zu einem erklecklichen Betrag summieren. Die neuen Kernzuggeräte bieten die Möglichkeit, Fehlerquellen in einem sehr frühen Stadium noch in der Bauphase zu erkennen und abzustellen. Schon mit wenigen auf diese Weise frühzeitig erkannten Fehlern haben sich die „Core-Pull“-Einheiten amortisiert. Daher ist es schon beinahe fahrlässig, auf ihren Einsatz zu verzichten. Richard Pergler
„Das Kernzugaggregat erlaubt uns mit seinen feinfühlig bedienbaren Handhebelventilen über eine progressive Druck- und Volumenzunahme eine sehr genaue Feinsteuerung der Zylinderbewegung im unteren Geschwindigkeitsbereich“ beschreibt Sippl die Funktion. „So können wir eventuelle Störungen erkennen, ohne dass es dabei schon zu einer Gefährdung oder gar Beschädigung des Werkzeugs kommen kann.“
In ihrer Mittelstellung ermöglichen die Handhebelventile einen drucklosen Umlauf. Die Endschalter der Zylinder werden über Kabel (16-poliger Hartingstecker, belegt nach Euromap) angeschlossen. Sechs Leuchtdioden am Gehäuse zeigen klar und eindeutig den Betriebszustand an.
Einfache und sichere Bedienung
Die hydraulische Silent-Doppelpumpe der Kernzugaggregate fördert bis zu 40 l/min“, berichtet Sippl. „Die gewünschte Menge können wir mit einem Schlüssel schnell und bequem per Druckbegrenzungsventil einstellen.“
Der für die Ölkühlung zuständige Belüftungskühler im Rücklauf zum Tank ist mit dem Antriebsmotor gekoppelt. Je nach Ausführung fasst der Tank bis zu 100 l Hydrauliköl. Zudem kann der Anwender Ölstand und Temperatur über ein Schauglas mit Thermometer am Ölbehälter und den Filter über ein Manometer am Gehäuse überwachen. Leuchtdioden am Schaltschrank signalisieren außerdem das Erreichen des minimalen Ölstands sowie der maximalen Öltemperatur.
Für die mobile Funktionsprüfung in der Werkstatt gebaut
„Ein großer Vorteil ist für uns, dass Dremo ‚Core-Pull‘ auf den mobilen Einsatz direkt an der Form ausgelegt ist“, erklärt Sippl. „Es ist alles an Bord, was wir brauchen. Und bei den Anschlüssen reicht eine Steckdose für das Drehstrom-Kabel.“ Das fahrbare Plug&Play-System lässt sich zudem mit seinen vier Rollen bequem und sicher manövrieren – auch in engen und vollgestellten Räumen. Zwei der Rollen sind als Lenkrollen ausgeführt, die anderen beiden sind Festrollen mit Totalfeststellern. Sind die arretiert, ist der sichere Stand der Kernzugaggregate im Arbeitsmodus gewährleistet.
„Man spürt, dass ‚Core-Pull‘ aus der Praxis kommt und dass da viel Formenbauerwissen eingeflossen ist“, ist sich Sippl sicher. Das kompakte, gerade einmal rund 1,2 x 0,5 m große System verfügt über pfiffige Details, die nur aus langjähriger Erfahrung entstehen können. So können die Formenbauer etwa bis zu acht Hydraulikschläuche an einer Vorrichtung einhängen. Deren Restinhalt kann dann kontrolliert in einen 6‑l-Tank ablaufen, der wiederum über eine Ölablassschraube entleert werden kann.
Aus der Praxis – für die Praxis
„Damit“, so Sippl, „bleibt die Umgebung sauber, und außerdem können wir das wertvolle Öl wieder dem Kreislauf zuführen.“ Auf sein Kernzugaggregat verzichten will Sippl nicht mehr. „Mit ‚Core-Pull‘ ist vieles bei weitem einfacher und effizienter geworden“, zieht er Bilanz. „Die Werkzeuge kommen mit einem deutlich höheren Reifegrad in die Produktion des Auftraggebers, und der Weg dorthin ist signifikant kürzer und wirtschaftlicher als bei den sonst fälligen späten Korrekturen. Unser ‚Core-Pull‘ ist für uns ein weiterer Schritt darin, unsere Auftraggeber nachhaltig zu unterstützen und zugleich die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.“ Richard Pergler